Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Österreich, Grundsatzerlass Medienerziehung (2001)
1. Grundsätzliches
Medien bestimmen unseren privaten und beruflichen Alltag. Technische Möglichkeiten der Vervielfältigung, Übertragung und Vernetzung spielen in der "natürlichen" Umgebung der Schüler/innen eine immer größere Rolle, sie sind ein Teil ihrer Wirklichkeit, ihrer Lebenswelten. Erziehung und Bildung sollten Heranwachsende in ihrer Beziehung zur Welt/Wirklichkeit begleiten und fördern.
Der Anteil von Medien an der Welt/Wirklichkeitserfahrung nimmt stetig zu - eine neue Dimension von Wirklichkeit ist mit dem Aufkommen von hoch entwickelten Technologien entstanden. Wenn nun die reflektierende Begegnung und Auseinandersetzung mit Wirklichkeiten ein grundlegender Bestandteil von Pädagogik ist, dann ergibt sich daraus der Schluss, dass Medienpädagogik die gesamte Pädagogik wesentlich stärker durchdringen soll. Pädagogik muss gleichzeitig auch Medienpädagogik sein.
Nun haben mediale Erfahrungen durch Sprache, Bilder, Zeichnungen, Bücher, Theater usw. schon seit jeher die Wirklichkeit des Menschen mitgeformt. Wie stark diese Medien unsere Wirklichkeit/Weltsichten mitprägen, ist aber in der Lehrerbildung wenig berücksichtigt worden. Dass und wie das Basismedium "Sprache" an der Konstitution von Wirklichkeit mitwirkt, findet erst langsam Eingang in die einzelnen Fachdidaktiken. Genauso gelten diese Überlegungen auch für die audio-visuellen Medien.
Im Massenkommunikationsprozess mittels Massenmedien ist es möglich geworden, einer unüberschaubaren Menge von Empfängern bei räumlicher und/oder zeitlicher Distanz gleiche Mitteilungen zu vermitteln. Damit eröffnen die Medien einerseits Chancen zu weltweiter Kommunikation, zu Weltoffenheit und zur Weiterentwicklung der Demokratie, andererseits aber bergen sie auch die Gefahr verstärkter Manipulation in sich. Die durch Medien veränderte und sich verändernde Wirklichkeit ist eine Herausforderung und eine Chance. Im Sinne medien-politischer Bildung ist Medienerziehung die Auseinandersetzung nicht nur mit Ursachen, Wirkungen und Formen medialer Kommunikation, sondern auch mit den verschiedenen Interessen, die die Auswahl und den Inhalt von Informationen und die Form der Vermittlung bestimmen.
Angesichts der Herausforderung durch die elektronischen Medien muss sich die Schule verstärkt dem Auftrag stellen, an der Heranbildung kommunikationsfähiger und urteilsfähiger Menschen mitzuwirken, die Kreativität und die Freude an eigenen Schöpfungen anzuregen und sich im Sinne des Unterrichtsprinzips "Medienerziehung" um eine Förderung der Orientierung des Einzelnen in der Gesellschaft und der konstruktiv-kritischen Haltung gegenüber vermittelten Erfahrungen zu bemühen.
Um diese Zielsetzungen von Medienerziehung klar herauszuheben, ist es notwendig, im Zug der Begriffsdefinition alle Begriffe, die Medien im schulischen Umfeld bezeichnen, sowie gängige mit der Medienarbeit verknüpfte Gegenstandsbezeichnungen zu umreißen.
2. Begriffsdefinitionen
2.1. Medienerziehung umfasst alle Fragen der pädagogischen Bedeutung von Medien in Bildung, Freizeit und Beruf. Sie setzt sich mit Inhalten und Funktionen der Medien, ihren Nutzungsformen in den genannten Bereichen sowie ihren individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen auseinander. Angesichts der Komplexität des Begriffes erscheint es angezeigt, den Gesamtkomplex Medienpädagogik zu unterteilen, und zwar in
2.1.1. Mediendidaktik: befasst sich mit den Funktionen und Wirkungen von Medien in Lehr- und Lernprozessen. Der Einsatz von audio-visuellen Medien in ihrer Rolle als Unterrichtsmittel soll in Abstimmung mit der Bildungs- und Lehraufgabe, dem Lehrstoff und den didaktischen Grundsätzen des jeweiligen Unterrichtsgegenstandes erfolgen. Medien sind Hilfsmittel zur Erreichung gegenstandsspezifischer Ziele (Erziehung durch Medien).
2.1.2. Medienerziehung:ist eine Form pädagogischen Umgangs mit Medien, der zur kritisch-reflexiven Nutzung aller Medien heranführen soll. Wo Medien als Mittel der Information, Unterhaltung, Bildung und Alltagsorganisation für die Sozialisation des Menschen Bedeutung erlangen, werden sie zum Gegenstand der Medienerziehung - die Medien sind Gegenstand und Thema des Unterrichts (Erziehung über Medien). Medienerziehung befasst sich mit a l l e n Kommunikationsmedien, und deren durch die so genannten Neuen Medien ermöglichten Kombinationen. Diese Kommunikationsmedien sind - unabhängig von der Technologie - konstitutive Bestandteile aller Texte: Wort, gedruckt/gesprochen und Graphik, Ton, Standbild und bewegtes Bild.
Die so genannten Neuen Medien - auch das Internet - sind im Wesentlichen als Weiterentwicklungen und Zusammenfügungen der soeben genannten Bausteine, Technologien, die der Verbreitung dienen und Auswirkungen haben auf eine Reihe von sozialen Dimensionen. Die kritische Reflexion der möglichen Auswirkungen ist ebenfalls Gegenstand der Medienerziehung.
Durch die Möglichkeit, Daten aller Art zu gewaltigen Informationsnetzen zusammenzufassen und dieses Netz sowohl im Arbeits- als auch im häuslichen Bereich dienstbar zu machen, d.h. verfügbar, abrufbar und bearbeitbar zu machen, verwischen sich die Grenzen zwischen Individual- und Massenkommunikation, zwischen dem Buch- und dem Zeitungsmarkt, zwischen Unterhaltungs- und Geschäftskommunikation. Besonders im Segment Neue Medien stellen sich der Medienerziehung für einen selbstbestimmten kritischen Umgang neue Fragen.
3. Zielsetzungen der Medienerziehung
Bevor auf einige Arbeitsfelder der Medienerziehung eingegangen wird, erscheint es notwendig, den Begriff "Medienkompetenz" im Sinne dieses Erlasses zu definieren: Medienkompetenz als Zielhorizont medienpädagogischer Bemühungen umfasst neben der Fertigkeit, mit den technischen Gegebenheiten entsprechend umgehen zu können, vor allem Fähigkeiten, wie Selektionsfähigkeit, Differenzierungsfähigkeit, Strukturierungsfähigkeit und Erkennen eigener Bedürfnisse u.a.m. Insbesondere bei der Nutzung der sog. Neuen Medien stellen sich im medienerzieherischen Zusammenhang - über den Nutzwert der Medien für den fachspezifischen Bereich hinaus - Fragen von individueller und sozialer Relevanz.
Z.B. Was bedeutet die Informationsfülle für die menschliche Informationsverarbeitungskapazität? Welche Selektions-, Strukturierungs- und Professionalisierungsformen müssen geschaffen werden? Welche Möglichkeiten gibt es, um die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit von Informationen zu sichern? Was sind einige der Implikationen der Medienkonvergenz? Was bedeutet inhaltliche Konvergenz, d.h. Vermischung von Spiel mit Film, sachliche Information mit gefühlsbetonter Komponente etc. für die Verarbeitung? An welchen Bezugsrahmen messen wir Computersimulationen? Welche Folgen hat die Vermischung der Grenzen und Verwischung der Inhalte bei den Begriffen wirklich-virtuell-fiktiv?
3.1. Mediennutzung: Medienerziehung soll die Schüler/ innen durch Vermittlung kritischer Einsicht in die Kommunikationsphänomene zu einem in ihrem jeweiligen Lebensbereich möglichen bewussten und mitbestimmenden Medienhandeln führen. Medienhandeln setzt voraus, dass Menschen in jeder Kommunikationssituation mit Medien aktiv sind. Das bedeutet, dass sie im Rahmen der Mediennutzung ihre eigene Bedeutung in der Interaktion mit dem jeweiligen Medium aushandeln. Daher soll Medienerziehung, ausgehend von der persönlichen Disposition des Schülers/der Schülerin unter Berücksichtigung der sprachlichen Voraussetzungen, neben dem kognitiven auch den affektiven Bereich mit einschließen. Sie soll dem Schüler/der Schülerin helfen, die eigenen Rollenerwartungen zu überdenken und seine/ihre eigenen Kommunikationsbedürfnisse und -defizite zu erkennen.
Die Schüler/innen sollen weiters erkennen und erleben, dass Massenmedien gezielt Bedürfnisse zu konsum-orientiertem Verhalten wecken. Sie sollen erkennen, dass neue Formen der Individual- und Massenkommunikation ihre Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung am wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben erweitern. Ferner sollen sie erkennen und erleben, dass die elektronischen Medien Freizeitgestaltung und Freizeitverhaltensweisen wesentlich mitbestimmen. In diesem Bereich soll auf die enge Verzahnung der Freizeit- und Unterhaltungsindustrie mit den Massenmedien zur Schaffung von typischen Verhaltensmustern hingewiesen werden.
3.2. Kommunikation mit und durch Medien: Die Schüler/innen sollen durch Medienerziehung befähigt werden, sich in einer Welt zurechtzufinden, über die sie zum großen Teil durch Medien informiert werden. Es soll ihnen bewusst gemacht werden, dass die Medien beträchtlich zu ihrer politischen Urteilsbildung beitragen. Sie sollen erkennen, dass die Expansion von Kommunikationstechniken den Menschen erhöhte Ausdrucks- und Partizipationschancen am politischen Leben durch "direkte" Demokratie per Knopfdruck, bessere politische Information, bessere Information durch Behörden ermöglicht, gleichzeitig sollen sie aber erfahren, dass ebenso durch Kommunikationsmedien Menschen durch zunehmende Passivität von einer direkten Beteiligung am politischen Leben abgehalten, von politischen Konflikten abgelenkt und durch finanzkräftige Interessengruppen politischen Manipulationen ausgesetzt werden können. Sie sollen lernen, wie sie selbst Medien zu kritischer Urteilsbildung nutzen und dadurch ihre Handlungskompetenzen stärken. Sie sollen erfahren, dass die Medien nicht nur als Vermittler fiktiver Welten, sondern auch in der Abbildung der Wirklichkeit eine eigene Wirklichkeit schaffen. Die Schüler/innen sollen aber erkennen, dass diese gestaltete Wirklichkeit nicht wertneutral sein kann. Sie sollen die Struktur, die Gestaltungsmittel und die Wirkungsmöglichkeiten der einzelnen Medienarten wie Film, Dia etc. erkennen und sollen verstehen, welche Inhalte vorwiegend von welchen Medienarten vermittelt werden. Dabei soll ihnen bewusst gemacht werden, dass identische Inhalte unterschiedlich präsentiert werden und folglich unterschiedliche Wirkungen haben. Medienerziehung soll das Bewusstsein für die vielfach einseitige und klischeehafte Darstellung von sozialen und geschlechtsspezifischen Rollen durch die Medien wecken. Schüler/innen sollen für die Frage sensibilisiert werden, inwiefern die Medien den vielfältigen Lebensalltag (z.B. Verhältnis Frau - Mann, Untergebene(r) - Chef/in, Jugendliche -Ältere u.ä.) realitätsgerecht vermitteln. Sie sollen erkennen, dass soziale und geschlechtsspezifische Rollen der Stereotypisierung unterliegen. Können die Medien allein auch nicht unbedingt einen Wandel bezüglich der Auffassung von der Rollenverteilung in unserer Gesellschaft bewirken, so kommt ihnen dennoch eine bedeutsame Rolle in der Beeinflussung und Aufklärung der Öffentlichkeit zu. Indem sie bestimmte Wertvorstellungen reflektieren, tragen sie zur Aufrechterhaltung herrschender Vorstellungen bei und können gewisse Ideen, Leitbilder und Anschauungen noch verstärken bzw. abschwächen.
3.3. Medien als Wirtschaftsfaktor oder Massenmedien als Institution: Die Schüler/innen sollen erkennen, dass wirtschaftliche, technische, gesellschaftliche und ideologische Voraussetzungen sowie unterschiedliche Organisationsformen (öffentlich-rechtliche oder privatwirtschaftliche) ganz bestimmte Formen der Herstellung, Verteilung und auch bestimmte Kriterien zur Auswahl und Darstellung der vermittelten Inhalte bedingen. In diesem Zusammenhang kann auf die Arten der Nachrichtenbeschaffung, die Finanzierung durch Seher- und Hörergebühren und durch Werbung sowie auf das Spannungsverhältnis zwischen importierten und heimischen Medienprodukten hingewiesen werden. Auch die Rolle fortschrittlicher Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations, PR) als Partner und Informationslieferant der Medien soll behandelt werden. Moderne Public Relations stellen u.a. den offenen, langfristigen Dialog zwischen den Gruppen der Gesellschaft (Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Sozialbereich, Sport usw.) und den Medien her. Dabei sollen Begriffe wie Unabhängigkeit, Objektivität, Glaubwürdigkeit, Meinungsvielfalt, Manipulation usw. kritisch durchleuchtet werden.
3.4. Eigene Medienschöpfungen: Im Sinne von Handlungs- und Erfahrungslernen sollen die Schüler/innen im Rahmen der Medienerziehung zur Herstellung von eigenen Medienprodukten ermutigt werden. Medienmachen allein ist jedoch - so verdienstvoll es auch für eine Reihe von Lernzielen sein mag - noch keine Medienerziehung. Erst wenn die praktische Tätigkeit mit einer kritischen Reflexion über den Herstellungsprozess gekoppelt wird, kann von einer medienpädagogischen Arbeit gesprochen werden. Die Reflexion kann sich u.a. beziehen auf die Erfahrungen, die im sozialen Bereich gesammelt werden, auf die Produktion von Bedeutung, die die Grundlage von Medienmachen ist u.v.m. Damit soll sichergestellt werden, dass das Medienmachen in einen bewussten Erkenntnisgewinn mündet.
4. Durchführung
4.1. Allgemeines Da die in den Medien behandelten Themen alle Bereiche des Erkennens und Handelns berühren, ist die Medienerziehung nicht auf einzelne Unterrichtsgegenstände oder bestimmte Schulstufen beschränkt. Jeder Lehrer/ jede Lehrerin ist vielmehr verpflichtet, auf sie als Unterrichtsprinzip, wie es in den einzelnen Lehrplänen verankert ist, in allen Unterrichtsgegenständen fachspezifisch Bedacht zu nehmen.
Für diesen Bereich bieten sich projektorientierte Unterrichtsformen an.
Die Integration der Massenmedien in das Unterrichtsgeschehen darf dabei nicht als eine bloße Verwendung der Medien, als Impuls für den Fachunterricht oder als Illustration der Stoffdarstellung verstanden werden. Beim Einsatz und bei der Betrachtung der Medien ist vielmehr die Beeinflussung des Weltbildes und deren Rückwirkung auf gesellschaftliche und politische Entscheidungen bewusst zu machen.
Gerade weil Medien die Welt so spontan und natürlich abzubilden scheinen, sollte Folgendes immer mitbedacht werden: Medien sind nie neutrale Behälter von Informationen. Die Bilder, die wir für Abbildungen der Wirklichkeit halten, sind gestaltet, sie sind professionell konstruiert - deshalb wird gerade hier bei der Dekodierung ein hohes Potential an Medienkompetenz benötigt. Auch im naturwissenschaftlichen Bereich, dem im herkömmlichen Diskurs ein hoher Grad an Objektivität zugeschrieben wird, sind die Schlüsselfragen (Wer teilt wem was mit, in welcher Absicht?), mit denen wir mediale Texte zerlegen, von eminenter Wichtigkeit - sie sollten genauso angewendet werden wie bei Medientexten, deren "Gemachtheit" deutlicher ins Auge sticht.
Kritische Medienanalyse behindert nicht - wie oft von Fachdidaktikerinnen und -didaktikern befürchtet wird - die fachspezifischen Aussagen der jeweiligen Medien. Im Gegenteil - gerade das Eingehen auf die Schnittstellen zwischen fachspezifischen Inhalten und der Vermittlungsleistung des jeweiligen Mediums bringt einen merklichen Zuwachs nicht nur an Medienkompetenz, sondern auch an fachimmanentem Ertrag mit sich. Die Erkenntnis, dass auch speziell für den Unterricht konzipierte audio-visuelle Medien nicht objektiv sein können, bringt den Glauben an die Richtigkeit und Wahrheit anderer Medien, wie zum Beispiel Schulbücher, ins Wanken. Die Beschäftigung mit Begriffen wie Wahrheit, Richtigkeit wird zur Hinterfragung der scheinbaren Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit so mancher Bilder führen, die eine authentische Wirklichkeit suggerieren.
Auch der für eine moderne und effektive Gestaltung des Unterrichts unbedingt notwendige Einsatz von audio-visuellen Unterrichtsmitteln kann nicht zur Medienerziehung gerechnet werden, es sei denn, dass über die fachdidaktische Verwendung hinaus auch medienspezifische Eigenheiten des Dargebotenen angesprochen werden. So soll z.B. neben und zu dem fachspezifischen Informationsgehalt des Mediums überlegt werden, ob und inwieweit Interessen der Medienproduzenten den Inhalt und die Gestaltung des Dargebotenen beeinflussen. Die Medienerziehung hat grundsätzlich auf allen Schulstufen - der geistigen Entwicklung der Schüler/ Schülerinnen entsprechend - zu erfolgen.
4.2 Beispiele für die Durchführung
4.2.1. Verknüpfung mit dem Lehrplan
Der Lehrplan 99 (Hauptschule) geht bereits in der Präambel auf den Stellenwert von Medien in der Welt von heute ein:"Innovative Technologien der Information und Kommunikation sowie die Massenmedien dringen immer stärker in alle Lebensbereiche vor." Darüber hinaus bieten die Einteilung in Bildungsbereiche, die Betonung von fächerverbindendem und fächerübergreifendem Unterricht sowie der Bedeutung von lebensweltlichen Bezügen eine Reihe von Ansatzpunkten für die Realisierung von Medienerziehung: "Der Unterricht hat sich entsprechend § 17 des Schulunterrichtsgesetzes sowohl an wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch an den Erfahrungen und Möglichkeiten, die die Schülerinnen und Schüler aus ihrer Lebenswelt mitbringen, zu orientieren." und "Im Sinne der gemeinsamen Bildungswirkung aller Unterrichtsgegenstände hat der Unterricht die fachspezifischen Aspekte der einzelnen Unterrichtsgegenstände und damit vernetzt fächerübergreifende und fächerverbindende Aspekte zu berücksichtigen. Dies entspricht der Vernetzung und gegenseitigen Ergänzung der einzelnen Disziplinen und soll den Schülerinnen und Schülern bei der Bewältigung von Herausforderungen des täglichen Lebens helfen."
Bei den Bildungsbereichen sei explizit auf den Bereich "Sprache und Kommunikation" sowie "Kreativität und Gestaltung" verwiesen: "In jedem Unterrichtsgegenstand sind die Schülerinnen und Schüler mit und über Sprache - z.B. auch in Form von Bildsprache - zu befähigen, ihre kognitiven, emotionalen, sozialen und kreativen Kapazitäten zu nutzen und zu erweitern." und "Gedanken und Gefühle verbal und nonverbal zum Ausdruck zu bringen, ist eine wesentliche Lebensform der Menschen. Den Schülerinnen und Schülern ist Gelegenheit zu geben, selbst Gestaltungserfahrungen zu machen und über Sinne führende Zugänge mit kognitiven Erkenntnissen zu verbinden."
4.2.2. Exemplarische Vorschläge
4.2.2.1. Vorschulstufe, 1. - 4. Schulstufe
Für die Integration des Unterrichtsprinzips bietet sich über den Kernbereich der Unterrichtsgegenstände Deutsch und Bildnerische Erziehung sowie Sachunterricht hinausgehend der gesamte Lehrplan an. Durch die Thematisierung und den Vergleich von eigenen Erlebnissen und Erfahrungen der Kinder mit durch Medien vermittelten Sekundärerfahrungen können die spezifischen Eigenschaften einzelner Medienarten und die daraus resultierenden Wirkungen bewusster erfahren werden. An Sachbereichen werden sowohl Medienprodukte, die sich speziell an Kinder im Grundschulalter richten (z.B. Kindersendungen des Fernsehens, Kinderzeitschriften, "Kinderseiten" aus Zeitschriften, Comics, Internetseiten für Kinder, Computerspiele bzw. Lernsoftware), als auch solche, die nicht speziell für Kinder dieser Altersstufen produziert, aber tatsächlich von diesen konsumiert werden, zu berücksichtigen sein. Durch Förderung der Selbsttätigkeit und Einsicht in die charakteristischen Eigenschaften der Medien sollen, wenn möglich, eigene Erfahrungen in der Herstellung von Medien gemacht werden.
4.2.2.2. Sonderschule, 1. - 9. Schulstufe
In den Sonderschulen kommt der Medienerziehung besondere Bedeutung zu: Einerseits sind die Möglichkeiten der Kinder zum Sammeln unmittelbarer Erfahrungen durch Behinderungen häufig eingeschränkt, was durch den Einsatz von Medien zumindest ansatzweise kompensiert werden soll. Andererseits kommt bei vielen Behinderungen den Medien eine bedeutsame Funktion bei der Überbrückung von Kommunikationsbarrieren zu (z.B. bei sinnes- und körperbehinderten Kindern). Medienerziehung in dieser erweiterten Sicht verknüpft damit sonderpädagogische Aufgaben und Zielsetzungen mit jenen Anliegen der Medienerziehung, die die behinderten Schüler/innen selbst als Medienkonsumenten zu Adressaten haben. In den Lehrplänen der Sonderschulen finden sich zahlreiche konkrete Ansatzpunkte zur Berücksichtigung beider Aspekte. Diese reichen von Teilbereichen einzelner Unterrichtsgegenstände (z.B. der Bereich Fotografie und Film/ Video in der Bildnerischen Erziehung) bis zu detaillierten Lehrstoffangaben (z.B. Zeitung, Film und Fernsehen in Geschichte und Sozialkunde).
4.2.2.3. Hauptschule, Allgemein bildende höhere Schule 5. - 8. Schulstufe In den Lehrplänen für Deutsch und Bildnerische Erziehung (Hauptschule, allgemein bildende höhere Schule) wird Medienerziehung explizit angegeben. Als weitere Einstiegsmöglichkeiten bieten sich Beobachtungen über die Ausdruckswerte von sprachlichen und nichtsprachlichen Ausdrucksformen, Schulung der Kompetenz, sich selbst und den anderen Kenntnis von Tatsachen zu verschaffen, sowie Rollenspiele an.
An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Medienerziehung auch und besonders in dieser Altersgruppe bei den persönlichen Medienerfahrungen, -erlebnissen und -gewohnheiten der Schüler/innen ansetzen und zur Selbstreflexion führen soll.
4.2.2.4. Mittlere und höhere Schulen, Polytechnische Schule und Berufsschule 9.-12./13. Schulstufe
An Polytechnischen Schulen scheint Medienerziehung in den Lehrplänen der Unterrichtsgegenstände Berufsorientierung und Lebenskunde, Deutsch, Projektorientierter Unterricht und in Wahlpflichtgegenständen auf. Die Lehrstoffangaben der Lehrpläne der mittleren und höheren Schulen enthalten zahlreiche Hinweise auf Sachgebiete der Medienerziehung. Die Rolle und der Stellenwert der Medien können in den jeweiligen Unterrichtsgegenständen vor allem im (fächerübergreifenden) Projektunterricht (z.B. Medien als Wirtschaftsfaktor, Werbung als Wirtschaftsfaktor, Ästhetik der Werbung, Sprache der Werbung, Öffentlichkeitsarbeit-Public Relations als Dialoginstrument, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Funktionen und Rolle von PR, Chancen und Gefahren strategischer PR für die Bildung der veröffentlichten und öffentlichen Meinung, Konzepte und Instrumente der PR) in den Unterrichtsgegenständen Deutsch, Bildnerische Erziehung sowie des Bereiches Wirtschaftskunde beleuchtet werden. Im Deutschunterricht kann die vergleichende Betrachtung von literarischen Werken und ihren Verfilmungen die Möglichkeiten und Grenzen der beiden Kunstformen aufzeigen. Die Unterrichtsgegenstände der Bereiche Geschichte und Sozialkunde sowie Zeitgeschichte ermöglichen beispiels-weise nicht nur die Betrachtung von audio-visuellen Medien hinsichtlich ihrer Rolle als Quellenmaterial, sondern auch ihrer Entwicklung und ihres Einflusses auf die Gesellschaft. In den Unterrichtsgegenständen der Bereiche Psychologie und Philosophie können Fragen der journalistischen Ethik, die Psychologie der Massenkommunikation, wahrnehmungspsychologische Fragen, Vorgänge der Meinungsbildung und Manipulation erörtert werden. In den Unterrichtsgegenständen der Bereiche Physik und Chemie können die technischen Grundlagen der Phonographie und Photographie, von Rundfunk und Fernsehen sowie Probleme der Nachrichtentechnik behandelt werden.
4.3. Medienkunde im eigentlichen Sinn steckt einen Teilbereich der Medienerziehung ab, der Wissen über Medien, deren Entstehung, Organisation und Strukturen vermittelt. Bezogen auf das Schulwesen ist sie die Bezeichnung für eine Unverbindliche Übung, die z.B. an Allgemein bildenden höheren Schulen geführt wird. Nähere Angaben hinsichtlich der Inhalte sind der jeweils gültigen Fassung der betreffenden Lehrpläne zu entnehmen.
4.4. Mediendidaktik ist im Sinne des Studienplanes der Pädagogischen, Berufs- und Religionspädagogischen Akademien auch die Bezeichnung für einen Unterrichtsgegenstand, der Ziele der Mediendidaktik (vgl. 2.1.1.) und Medienerziehung (vgl. 2.1.2.) vereinigt.
4.5. Unterrichtstechnologie dient laut Lehrplan der Pädagogischen Akademien der Vermittlung von Fertigkeiten und technischem Grundwissen zur Handhabung audio-visueller Geräte und Systeme, verbunden mit Hinweisen zum richtigen Einsatz der Medien-Hard- und Software im Unterricht. Die hier vermittelte Fertigkeit ist eine Voraussetzung zur Gestaltung von Medien.
4.6. Der mit der Verwaltung der audio-visuellen Unterrichtsmittel betraute Kustos sollte über Verantwortung, Initiative, Vorschläge für den Aufbau und die Ausstattung der ihm übertragenen Materialien (SchUG § 52) hinaus auch Projekte auf dem Gebiet der Medienerziehung fachlich unterstützen.
4.7. Im Sinne des SchUG § 62 (enge Zusammenarbeit von Lehrern und Erziehungsberechtigten in allen Fragen der Erziehung und des Unterrichtes) sollen die Erziehungsberechtigten gerade im Bereich der Medienerziehung zur Erziehungsarbeit eingeladen werden. Medienkonsum, -gewohnheiten und -wirkungen sollen im Rahmen von Elternabenden behandelt werden; im Schulgemeinschaftsausschuss können weitere Aktivitäten (Schulveranstaltungen etc.) angeregt werden.
4.8. Im außerschulischen Bereich ist die Hinführung zu verantwortlichem Medienkonsum eine wesentliche Aufgabe im Zusammenwirken von Erziehern/Erzieherinnen und Schülern/Schülerinnen.
4.9. Schulveranstaltungen auch unter Mitwirkung außerschulischer Organisationen können entsprechend der Schulveranstaltungenverordnung durchgeführt werden. Die durch diese Schulveranstaltungen den Schülern erwachsenden Kosten (z.B. Eintrittsgebühren, Fahrtkosten) müssen dem Grundsatz der Sparsamkeit und Angemessenheit entsprechen. Dabei haben die finanziellen Erwägungen stets hinter den pädagogischen Gesichtspunkten zurückzustehen: Es dürfen z.B. finanzielle Erwägungen nicht dazu führen, dass für bestimmte Altersgruppen geeignete Spielfilme aus Kostengründen auch anderen, zumeist jüngeren, Schülern und Schülerinnen vorgeführt werden.
4.10. Die zuständige Schulbehörde hat im Rahmen der Lehrerfortbildung für Seminare und Vorträge (Vorführungen) sowohl über den Einsatz audio-visueller Unterrichts-mittel als auch über die Probleme der Medienerziehung für die Lehrer/innen aller Fächer und Schularten vorzusorgen. Um eine möglichst intensive Schulung der Lehrer/innen zu erreichen, wird empfohlen, die Medienerziehung in den Pädagogischen Instituten schwerpunktmäßig zu behandeln. ...
Erlass des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur GZ 48.223/14 -Präs.10/01, Rundschreiben Nr.64/01