Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“ (2018)

Die Einsetzung dieser Enquete-Kommission wurde vom Deutschen Bundestag im Juni 2018 beschlossen. Die Kommission hat den Auftrag, Grundlageninformationen zusammenzustellen und Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu formulieren. Sie soll (erst) nach der parlamentarischen Sommerpause 2020 ihren Abschlussbericht vorlegen. Als Vorsitzende der Enquete-Kommission wurde die Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe (SPD) gewählt. Zeitlich parallel, aber unabhängig von den Beratungen der Enquete-Kommission wurden von der Bundesregierung ein Digitalrat berufen und ein Kabinettausschuss Digitalisierung eingerichtet. Bereits "im November 2018 soll eine gemeinsame Umsetzungsstrategie zur Steuerung der Digitalvorhaben beschlossen werden."

Im gemeinsamen Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE werden aus ihrer Sicht die Ausgangslage und der Auftrag der Enquete-Kommission beschrieben:

“I.Ausgangslage

Digitalisierung und weltweite Vernetzung, Internet der Dinge, Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) werden die Welt noch viel umfassender und schneller verändern als bisher. KI ist einer der größten technologischen Treiber der Digitalisierung und ein zunehmend wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dabei stellt KI einen umfassenden Paradigmenwechsel dar – mit dem Sprung von der rechnenden zur kognitiven Informatik: Anders als bisherige programmierte Abläufe sind KI, kognitive Systeme und Maschinen mehr und mehr lernfähig und zunehmend in der Lage, Erlerntes auf neue Situationen zu übertragen. Sie können Prozesse selbstständig planen, Prognosen treffen oder auch mit Menschen interagieren. KI erlaubt es, die Vielzahl der heute gesammelten Daten auf gänzlich neue Weise auszuwerten. Unternehmen und Staaten wenden erhebliche Ressourcen auf, um sich diese Analysemöglichkeiten zunutze zu machen.

Damit verbunden sind bisher unbekannte Fragestellungen, die auf Grundlage unseres Wertesystems sowie der Grund- und Menschenrechte beantwortet und damit die Erfolge unserer Sozialen Marktwirtschaft digital fortgeschrieben werden sollen.

Immer mehr Entscheidungen basieren bereits auf Algorithmen und zunehmend auch auf der Basis von KI. In Zukunft kann KI beispielsweise Ärztinnen und Ärzte bei Diagnose und Therapie unterstützen, bei der Feuerwehr für mehr Sicherheit sorgen oder die Städte durch intelligente Verkehrssteuerung entlasten. KI wird im Straßenverkehr zu mehr Sicherheit beitragen. Diese Beispiele zeigen: Die aktuellen Entwicklungen im Feld der KI haben tiefgreifenden Einfluss auf viele unserer Lebens- und Arbeitsbereiche und bedeuten für unsere Gesellschaft, den Staat und die Wirtschaft große Chancen, aber auch Herausforderungen.

Unser Ziel ist es, eine ausgewogene Debatte zu führen und gemeinsam mit Expertinnen und Experten Handlungsempfehlungen auch für den Gesetzgeber zu erarbeiten, wie die Potenziale von KI für das Leben der Menschen, für die Entwicklung unseres Wohlstandes und die Gesellschaft als Ganzes gefördert und die Risiken begrenzt werden können. Der Mensch muss dabei im Mittelpunkt stehen.

Im Kern geht es um die Fragen, wie mit KI umgegangen werden soll, ob und in welcher Form nationale, europäische und internationale Regeln gebraucht werden, damit die Technik dem Menschen dient, und in welchem Maße die Entscheidungshoheit der Menschen unverzichtbar ist. KI ist ein Treiber für Innovationen beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Sicherheit und Gesundheit. Der Einsatz von KI wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor von Unternehmen im deutschen, europäischen und globalen Kontext. Deutschland hat gute Voraussetzungen, die Nutzungspotenziale von KI zu realisieren. Es gibt starke Akteure, kluge Köpfe und ein großes Reservoir an Wissen und Kompetenz. Deutschland will im internationalen Vergleich Innovationsführer werden. Deshalb müssen vorhandene Kompetenzen gestärkt und weiter ausgebaut werden. Wenn es gewollt ist, dass die Rahmenbedingungen für KI auf Grundlage europäischer Werte definiert werden, dann muss KI auch in Europa erforscht, entwickelt und in Produkte und Services umgesetzt werden. Es wird daher die Aufgabe der Forschungs-, Wirtschafts-, Innovations- und Gesellschaftspolitik sein, eine umfassende nationale Strategie für KI aufzubauen und dabei die Zusammenarbeit in Europa, insbesondere mit Frankreich, zu intensivieren. Deutschland soll international Vorreiter bei der digitalen Spitzentechnologie werden.

II.Auftrag

Der Deutsche Bundestag beauftragt die Enquete-Kommission – unabhängig von und zusätzlich zu aktuellen Gesetzgebungsverfahren –, insbesondere in den folgenden Themenbereichen Chancen und Potenziale der KI sowie die damit verbundenen Herausforderungen zu untersuchen und Antworten auf die Vielzahl an technischen, rechtlichen, politischen und ethischen Fragen im Kontext von KI zu erarbeiten:

Wissenschaftlicher Rahmen

  • Grundlagen und Arten von KI
  • Darstellung des Status quo,
  • Darstellung von Entwicklungsszenarien,
  • Darstellung von Visionen,
  • Akteure auf nationaler und internationaler Ebene

Staat, Gesellschaft und Demokratie

  • Chancen und Herausforderungen von KI für den Einzelnen, die Gesellschaft, den Staat, die Wirtschaft und die Arbeitswelt,
  • Auswirkungen von KI auf einzelne Lebens- und Politikbereiche, wie beispielsweise auf die öffentliche Verwaltung, Mobilität, Gesundheit, Pflege, selbstbestimmtes Altern, Bildung, Verteidigung, Umwelt, Klima- oder Verbraucherschutz
  • Ansätze von KI, um wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt zu generieren
  • Auswirkungen der KI auf demokratische Prozesse
  • Auswirkungen auf Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit
  • Strategien für einen möglichen Rechtsrahmen

Werte und ethische Aspekte

  • Bedeutung unseres Wertesystems und sich daraus ergebende Auswirkungen für KI-basierte Entscheidungen,
  • Herausarbeitung von ethischen Prinzipien für die Entwicklung, Programmierung und den Einsatz von KI sowie der Interaktion von Mensch und Maschine
  • Wege zur Steigerung der Wertschöpfung/Wettbewerbsvorteile durch ethische Leitplanken
  • Lebensbereiche, in denen der Einsatz von KI aus ethischen Gründen geboten ist oder unvertretbar sein könnte
  • Kriterien und Grenzen von KI-basierten Entscheidungen zur Sicherstellung rechtmäßiger Ergebnisse
  • Verantwortung und Haftungsfragen beim Einsatz von KI
  • Darstellung von möglichen Konfliktsituationen,
  • Möglichkeiten der Auflösung von etwaigen Konfliktsituationen;

Wirtschaft

  • wirtschaftliche Rahmenbedingungen, damit Deutschland und die Europäische Union im weltweiten Wettbewerb die Innovationsführerschaft bei KI übernehmen können
  • Identifikation strategischer Wirtschaftsbereiche für Deutschland und Europa
  • Bedeutung der Kombination von KI, dem Internet der Dinge, der Robotik und dem Maschinenbau und weiterer Schlüsseltechnologien für den Wirtschaftsstandort Deutschland, insbesondere auch im Hinblick auf den Mittelstand,
  • notwendige Infrastruktur zur weiträumigen und sicheren Nutzung von KI und zum Schutz vor Cybercrime,
  • Veränderungen der Arbeitswelt durch KI
  • Veränderung von Wertschöpfungsketten durch KI
  • Fähigkeiten von KI-Systemen in der Kooperation und Kollaboration mit dem Menschen im beruflichen Umfeld
  • Auswirkungen des technologischen Wandels auf die Soziale Marktwirtschaft, Tarifbindung und Mitbestimmung,
  • rechtliche Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche KI in Deutschland und Europa, insbesondere Konzepte zum Ausbau der Dateninfrastruktur, zum Datenschutz und zur IT-Sicherheit, die sowohl dem technischen Fortschritt als auch dem Schutz der Privatsphäre des Einzelnen gerecht werden,
  • verbesserte Verfügbarkeit von (nichtpersonenbezogenen) Daten als Voraussetzung für die Erforschung und Entwicklung von KI und Weiterentwicklung von Open Data - und Open Science-Ansätzen (Forschungsdaten),
  • Analyse der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in anderen Re- gionen der Welt, Strategien zur Sicherung eines Level Playing Field für deutsche und europäische Unternehmen,
  • Potenziale von KI für Umwelt und Klimaschutz sowie eine ressourcenschonende Produktionsweise

Bildung und Forschung

  • Möglichkeiten zur Stärkung und Weiterentwicklung der Grundlagen- und Anwendungsforschung im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI, unter besonderer Berücksichtigung von gemeinsamen europäischen Initiativen mit spezifischem Mehrwert
  • internationaler Vergleich öffentlicher und privater Forschungsaktivitäten und -infrastrukturen und des entsprechenden Mitteleinsatzes unter besonderer Berücksichtigung der USA und China
  • Verbesserung des Transfers von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen hin zu zukunftsweisenden Produkten und Geschäftsmodellen, gerade auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen,
  • Schaffung eines innovationsfreundlichen Umfeldes und Kooperationsmöglichkeiten, u. a. an Schulen, Hochschulen und für Start-ups
  • Weiterentwicklung der Technikfolgenabschätzung in Bezug auf KI
  • Möglichkeiten von KI als disruptive Technologie für die gesamte Bildungskette, um den theoretischen sowie praktischen Umgang mit KI in allen Lebensabschnitten zu stärken
  • Gestaltung der Bildungs-, Hochschul- und Forschungslandschaft, damit auch künftig KI-Expertinnen und -Experten in Deutschland und Europa forschen und ausgebildet werden."

Quelle: Drucksache 19/2978, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Als ergänzendes Arbeitsmaterial werden hier die Aufzeichnungen der ersten drei Reden zum Antrag eingebunden. Weitere Reden sind über diese Seite des Deutschen Bundestages abrufbar.

Sören Bartol (SPD)

Uwe Kamann (AfD)

Nadine Schön (CDU/CSU)