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Günther Anfang, Computer in der Kinder- und Jugendarbeit - Ziele und Kriterien für die aktive Medienarbeit mit Multimedia
Computer sind aus dem Alltag heutiger Jugendzentren nicht mehr wegzudenken. Zumindest ein Computer steht in fast jedem Jugendzentrum, in immer mehr Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit werden aber eigene Computernetzwerke und Computerzimmer, Internetcafes oder frei zugängliche Computerterminals im offenen Bereich eingerichtet. Ein modernes Jugendzentrum hat eine eigene Internetdomain, ist im Netz aktiv und bietet Kindern und Jugendlichen vielfältige Angebote rund um das Thema Computer und Internet. Es hat sich also viel getan in den letzten Jahren. Computerarbeit ist kein Novum mehr und hat den Hauch des Exotischen verloren. Vielfach fehlen jedoch sinnvolle Konzepte für die Computerarbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie Rat und Tat bei Problemen der Realisierung von Projekten. Computer haben sich vor allem als Spiel- und Unterhaltungsmedium im offenen Bereich des Jugendzentrums durchgesetzt. Sie werden als niederschwelliges Angebot zum Chatten, Surfen und Spielen genutzt, während strukturierte und inhaltliche Projekte die Ausnahme bilden. Dies ist durchaus verständlich, da derartige Projekte personalintensiv und im Alltag eines Jugendzentrums oder einer Kindereinrichtung nicht so ohne weiteres verwirklichbar sind. Sie bedürfen einer gründlichen Vorbereitung und sind in der Regel nicht als Selbstläufer zu realisieren. Das hier vorliegende Buch will deshalb Anregungen und Hilfestellungen zur Vorbereitung und Durchführung strukturierter Projekte geben. Damit will es dazu beitragen, den Schwerpunkt der Nutzung des Computers von der konsumptiven auf die produktive Ebene zu verlagern.
Zur Ausgangslage
Die Situation in der Kinder- und Jugendarbeit ist derzeit durch eine Aufbruchstimmung in Sachen Medien gekennzeichnet. Vieles wird ausprobiert und durch learning by doing erprobt. War noch vor Jahren die Video- und später die Radioarbeit ein Terrain von wenigen Medienfreaks, wird es heute immer selbstverständlicher, dass Medienarbeit ein Schwerpunkt im Jugendzentrum ist. Die zahlreichen Internetcafes im Bereich der Jugendarbeit, aber auch der Einzug des Computers in Kindergarten und Hort, belegen diese These. Medienarbeit wird dabei in der Regel gleichgesetzt mit Computerarbeit. Ging es vor Jahren noch darum, mit Hilfe aktiver Videoarbeit eigene Interessen zu artikulieren und Medien für sich in Dienst zu nehmen, so spricht heute fast niemand mehr davon. Das Medium Computer und das Stichwort Qualifizierung stehen im Mittelpunkt der Diskussion. Während aktive Videoarbeit in der Schule fast keinen Platz fand und lediglich im außerschulischen Bereich zu Ehren kam, wird die Computerarbeit in allen Bereichen als notwendige und wichtige Aufgabe angesehen, da man es hier nach Ansicht von Eltern, Lehrern und Pädagogen mit einer neuen "Schlüsselqualifikation" zu tun hat. Somit wird der Computer im Jugendzentrum und neuerdings auch im Kindergarten und Hort zu einem Medium, das per se schon gut ist, da es hilft, die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen zu steigern. Aus diesem Grund wird häufig nicht mehr hinterfragt, wozu man eigentlich den Computer nutzen will. Gab es vor Jahren noch einen Aufschrei, wenn für den Kindergarten ein Videorekorder angeschafft wurde, da viele Erzieherinnen und Erzieher der Meinung waren, die Kinder sollten lieber im Grünen spielen, so akzeptiert man heute gerne, wenn Kinder mit dem Computer spielen, denn hier lernen sie ja für die Zukunft. Die Beschäftigung mit dem Computer wird gleichgesetzt mit sinnvoller Medienarbeit, während Film und Fernsehen grundsätzlich negativ gesehen werden. Medienarbeit, die derart verkürzt ihre Zielsetzungen formuliert, gerät jedoch in Gefahr, ihre eigentliche Aufgabe aus dem Blickfeld zu verlieren. Es ist nicht Aufgabe der Kinder- und Jugendarbeit als Verlängerung der Medienindustrie zu dienen und zur immer schnelleren und kritiklosen Verbreitung der neuen Medien beizutragen. Ein Computer im Jugendzentrum ist nicht schon per se eine positive Errungenschaft, die es zu feiern gilt. Vielmehr geht es auch hier darum, den selbstbestimmten Umgang und den Einsatz des Computers für eigene Interessen zu lernen und erfahrbar zu machen. Der Einsatz des Computers in der Kinder- und Jugendarbeit bedarf somit konzeptioneller Überlegungen und der Formulierung von Zielsetzungen, die mit dieser Arbeit verbunden sind. Dies bedeutet nicht, dass damit jegliche Spontaneität und Experimentierfreude zunichte gemacht werden soll und das Schreiben und Begründen von Konzepten im Vordergrund jeder Arbeit stehen soll. Es bedeutet jedoch, sich über Ziele und Inhalte der Medienarbeit klar zu werden und darüber nachzudenken, wie man gewährleisten kann, dass diese Arbeit den Grundsätzen einer emanzipatorischen Jugendarbeit gerecht wird. Welche Ziele und Kriterien das im Einzelnen sind, soll im Folgenden ausführlicher erörtert werden. Zunächst soll aber noch kurz auf die Funktion des Pädagogen bzw. der Pädagogin in diesem Zusammenhang eingegangen und anschließend eine Definition aktiver Medienarbeit mit Computer und Internet gegeben werden.
Neue Rollendefinitionen
Angesichts der rasanten Verbreitung der neuen Medien in der Kinder- und Jugendarbeit kamen auch auf Pädagoginnen und Pädagogen enorme Anforderungen zu. Sie sollen nun nicht mehr nur pädagogische Qualifikationen mitbringen, sondern immer häufiger auch spezifische Kenntnisse der Computer- und Multimediaarbeit. Da im Gegensatz zu herkömmlichen Medien der Computer ein multifunktionales Gerät darstellt, das vom Schreiben über Gestalten bis hin zu multimedialen Anwendungen alle möglichen Formen von Qualifikationen erfordert, bedeutet dies, sich in allen Bereichen fit zu machen. Hier wird jedoch relativ schnell offensichtlich, dass nicht jeder für alle Bereiche die gleichen Voraussetzungen mitbringt und die gleichen Leidenschaften entwickeln kann. Auch garantiert die technische Beherrschung eines Programmes noch nicht, es sinnvoll einsetzen zu können. Ein Layout-Programm kann ohne Layout-Kenntnisse nicht sinnvoll genutzt werden. Die Gestaltung der eigenen Homepage muss zuerst inhaltlich und ästhetisch konzipiert werden, bevor sie technisch umgesetzt wird. Ein interaktiver Film muss dramaturgisch geplant werden und und und... Wer hier kein Gespür für das jeweilige Medium entwickelt, wird wenig Erfolg in seiner Arbeit haben. Sich über eigene Stärken und Vorlieben klar zu werden, ist somit auch eine wichtige Aufgabe für den Pädagogen bzw. die Pädagogin. Wenn man feststellt, dass man zu einem Medium weniger Zugang hat, sollte man sich Hilfestellung durch andere holen. Kinder und Jugendarbeit lebt auch davon, Fachkräfte von außen in die Einrichtung zu holen, die neue Impulse setzen und die Arbeit bereichern. Damit ist die eigene Position in der Einrichtung nicht in Frage gestellt, sondern definiert sich neu über die Organisation und pädagogische Betreuung eines Medienprojektes mit Computer und Internet.
Was versteht man nun aber unter aktiver Medienarbeit mit Computer und Internet? Bevor im Hauptteil der Einleitung auf Ziele und Kriterien dieser Arbeit eingegangen wird, soll nun noch eine Definition gegeben werden, damit klar umrissen werden kann, was im Gegensatz zur herkömmlichen Medienarbeit darunter verstanden werden soll.
Aktive Medienarbeit mit Computer und Internet - Ein Definitionsversuch
Herkömmliche Medienarbeit ist relativ klar umrissen durch den Gebrauch des Mediums. Das Endprodukt bestimmt dabei die Definition, um welche Medienarbeit es sich handelt. Produziert man zum Beispiel mit einer Gruppe einen Videofilm, so spricht man von Videoarbeit. Zwar spielen bei der Videoarbeit Schnittcomputer und digitale Aufnahmetechniken eine immer wichtigere Rolle, trotzdem handelt es sich nach wie vor um Videoarbeit. Auch bei der Radioarbeit spielen die digitalen Techniken eine immer wichtigere Rolle. Der Schnitt wird schon lange nicht mehr per Hand mit der Bandmaschine gemacht, sondern am Computer mit einem eigenen Schnittprogramm. Wird damit automatisch die Radioarbeit zur Computerarbeit? Sicher nicht, denn der Computer als Universalmedium dringt in alle Bereiche der Medienarbeit ein. Im Mittelpunkt der Computerarbeit muss somit neben den Kindern und Jugendlichen der Computer stehen, sonst wird eine Definition unsinnig. Der Computer als Ein- und Ausgabegerät sollte eine zentrale Rolle im Rahmen der medienpädagogischen Arbeit spielen und wesentlicher Bestandteil der medialen Beschäftigung sein. Er bündelt die verschiedenen Medien wie Schrift, Bild und Ton und kann aufgrund der unterschiedlichen Programme zur Gestaltung und Artikulation eigener Interessen und Bedürfnisse eingesetzt werden. Er wird dadurch zum Spiel- und Kommunikationsmittel im Interesse von Kindern und Jugendlichen und ermöglicht die Be- und Erarbeitung von Gegenstandsbereichen sozialer Realität. Die Einbindung herkömmlicher Medien ist dabei durchaus sinnvoll und wünschenswert. Doch sollte sie die Erfordernisse des Mediums berücksichtigen. Eine Schülerzeitschrift nur ins Netz zu stellen, ist unsinnig, da sie in dieser Form niemand liest. Die Gestaltung einer Online-Zeitschrift erfordert vielmehr, sich Gedanken zu machen, wie Information für das Internet aufbereitet werden muss, damit sie gelesen wird. Hier beginnt die Computerarbeit und endet das klassische Schülerzeitungsprojekt. Auch die Video- und Radioarbeit wird zur Computerarbeit, wenn sie sich von ihrer herkömmlichen Veröffentlichungsform trennt und den spezifischen Erfordernissen einer Veröffentlichung im Netz als Online-Radio oder Internetfernsehen Rechnung trägt. Hier sind die Übergänge jedoch fließend und Unterscheidungen nicht immer klar zu treffen, wenn z.B. die klassische Radioarbeit sowohl als Online-Radio per Live-Stream-Verfahren als auch terrestrisch über den Sender geht. Versucht man daraus wesentliche Bestandteile der Computerarbeit abzuleiten, ergibt sich folgende Definition:
Computerarbeit mit Kindern und Jugendlichen muss im Mittelpunkt der Beschäftigung den Computer als Ein- und Ausgabegerät haben. Er bündelt die verschiedenen Medien und ermöglicht die aktive Gestaltung und Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Realität. Herkömmliche Medienarbeit wird erst dann zur Computerarbeit, wenn sie den Computer bzw. das Internet auch als Ausgabemedium nutzt und sich über die spezifischen Bedingungen dieser Veröffentlichungsform Gedanken macht. Die Übergänge sind jedoch häufig fließend.
Auf der Grundlage dieser Definition sollen nun im folgenden Ziele und Kriterien für die aktive Medienarbeit mit dem Computer entwickelt werden.
Ziele und Kriterien für die aktive Medienarbeit mit Multimedia
Grundsätzlich unterscheiden sich die Ziele aktiver Medienarbeit mit Multimedia nicht von denen der klassischen Medienarbeit mit Audio, Video oder Foto. Kinder und Jugendliche zum selbstbestimmten und reflektierten Umgang mit den Medien zu befähigen, ihre Medienkompetenz zu fördern und sie zur eigenständigen Nutzung der Medien anzuregen, ist erklärtes Ziel einer handlungsorientierten Medienpädagogik wie sie bereits bei Fred Schell1 grundlegend beschrieben wurde. Für die neuen Medien beschreibt Stefan Aufenanger2 die Zielsetzungen aktiver Medienarbeit deshalb auch folgerichtig: "Zielstellung einer solchen medienpädagogischen Position bezüglich der Bedeutung neuer Medien muss es sein, zur Demokratisierung von gesellschaftlichen und pädagogischen Kommunikationsformen beizutragen, die Partizipation und Selbstbestimmung aller Menschen zu ermöglichen, Ansätze einer Wissenskluft zu überwinden und Chancengleichheit herzustellen sowie die Selbstgestaltung und Mitbestimmung von Lernprozessen zu ermöglichen." Eine etwas abweichende Position bezüglich der Herausforderungen durch das Internet nimmt dagegen Hans-Dieter Kübler3 ein. Er geht davon aus, dass das Internet kein herkömmliches Medium mehr sei und somit pädagogisches Umdenken erforderlich sei. "Gerade für die sich zuständig glaubende und mitunter fix zur Sache gehenden Medienpädagogik verlangt Internet gründliches Nach-, wenn nicht prinzipielles Umdenken. Denn Internet - so die zentrale These - ist nicht mehr ein Medium wie alle davor, sondern repräsentiert letztlich das Supermedium per se...".
Da das Internet alle erdenklichen Kommunikationsformen und Medien, die von Menschen gemacht und genutzt werden, einschließt, verbietet es sich nach Meinung Küblers "weiterhin an ein bestimmtes Medium (wie etwas das Fernsehen) zu denken und von seiner (stets verkürzten, selektiven) Definition aus bestimmte pädagogische Anforderungen und didaktische Ziele wie Maßnahmen zu formulieren." (ebenda S. 8) Kübler4 plädiert deshalb dafür, bevor man in der schulischen und außerschulischen Bildung neue multimediale Geräte und Dienste installiert und "...Millionen der knappen Mittel vergeudet und erneut unerfüllbare Anforderungen gestellt werden, müsste man sich über sämtliche Qualifikationen von SchülerInnen heute verständigen". Dabei geht es ihm in erster Linie darum, darüber nachzudenken, welche Qualifikationen Jugendliche für die Gesellschaft und Arbeitswelt wirklich brauchen, "...die zugleich erst jene 'neue' Gesellschaft und Arbeitswelt herstellen, in der die neuen Technologien nicht nur Profit, sondern auch Nutzen bringen." (ebenda, S. 58) Küblers Ansatz ist somit nicht konträr zu den skizzierten Positionen von Schell und Aufenanger zu verstehen, sondern ergänzend als Plädoyer, sich angesichts der medialen Entwicklungen Gedanken über zukünftige medienpädagogische Aufgabenstellungen zu machen. Eine Multimedia-Pädagogik sollte nämlich nicht dazu da sein, Jugendliche lediglich im technischen Umgang mit den neuen Medien zu qualifizieren und sie für die Arbeitswelt fit zu machen, sondern - und dies ist ebenfalls Konsens der verschiedenen Positionen - sich auch auf die gesellschaftlichen Dimensionen und Auswirkungen der neuen Medien beziehen. Am eindringlichsten wird dies bei Helga Theunert5 formuliert, die davon ausgeht, dass die Medienpädagogik Konzepte entwickeln muss, die die veränderten Erlebnis- und Wahrnehmungsqualitäten des Internets und der multimedialen Welten erfassen können. "Die Medienpädagogik muss Räume gestalten, die den Heranwachsenden den Erwerb von Medienkompetenz und soziale Interaktion ermöglichen. Heute wie künftig ist die Medienpädagogik gefordert, die Menschen zu befähigen, die mediale Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungswelt in den Griff zu bekommen. Die Medienkompetenz der Heranwachsenden in der Multimedia-Welt zu befördern heißt, allen zu ermöglichen, sich die Systeme zugänglich zu machen, deren Strukturen und Angebote selbstbestimmt und kritisch zu nutzen, sich der technischen Möglichkeiten für eigene Zwecke zu bedienen; und es heißt nicht zuletzt, die Heranwachsenden zu befähigen, die Bedeutung der Systeme für das individuelle und gesellschaftliche Leben zu begreifen und einzuschätzen."
Mit dieser Position sind schon wesentliche Eckpunkte einer Multi-Medienpädagogik beschrieben. Ergänzend dazu formuliert Wolfgang Zacharias6 eine weitere Zielsetzung, die aus der Sicht der Kulturpädagogik vor allem die ästhetischen und kreativen Momente der neuen Medien für die Kinder- und Jugendarbeit nutzbar machen will. "Die multimediale Potenz, insbesondere der neuen, elektronischen Netze und Räume...zur Verdichtung und Vereinigung all dessen, was vorher geteilt und differenziert war, gilt es produktiv und als Zuwachs von möglicher Kreativität und Entwicklung zu sehen." Auf der Grundlage dieser Prämissen leitet er für eine zukünftige Praxis der Multimediaarbeit mit Kindern und Jugendlichen folgende Zielsetzung ab: "Neue Spiel- und Lernwelten ,zwischen Sinnenreich und Cyberspace' mit jeder Menge Wechselverhältnissen zu erfinden, zu entwickeln, zu realisieren und als pädagogische Praxis anzubieten, ist die gemeinsame kultur- und medienpädagogische Aufgabe der Zukunft." (ebenda S. 28)
Fasst man die bisher aufgeführten Positionen zusammen, so ergeben sich als Ziele und Kriterien für eine aktive Medienarbeit mit Multimedia und Internet folgende Kriterien. Aktive Medienarbeit muss Kindern und Jugendlichen:
* Räume zum Erwerb von Medienkompetenz eröffnen
* Strukturen und Angebote der neuen Medien durchschaubar machen
* einen selbstbestimmten und kritischen Umgang mit den Medien ermöglichen
* gesellschaftliche Partizipation fördern
* soziale Kompetenz entwickeln helfen
* technische Kompetenz fördern und Wissensklüfte überwinden
* zur Entwicklung der kreativen Potentiale von Kindern und Jugendlichen beitragen.
Kein Praxisprojekt wird alle Kriterien gleichzeitig und in gleicher Art und Weise aufweisen. Die Gewichtung der Kriterien wird je nach Projekt unterschiedlich ausfallen. Um zu verdeutlichen, wie diese Kriterien in der Praxis zu füllen und für das eigene Projekt umsetzbar werden, sollen sie im Folgenden ausführlicher dargestellt und erläutert werden.
Räume zum Erwerb von Medienkompetenz schaffen
Der Begriff der Medienkompetenz wird zur Zeit ja ziemlich inflationär und in unterschiedlichster Bedeutung verwendet. So sind Politiker und Politikerinnen sehr schnell mit dem Begriff bei der Hand, wenn es darum geht, mit einem Schlagwort die Aufgabenstellung heutiger Pädagogik zu umreißen. Meist meinen sie dann aber mit dem Erwerb von Medienkompetenz lediglich die technische Kompetenz im Umgang mit den neuen Medien, damit Kinder und Jugendliche für die Arbeitswelt ausreichend vorbereitet sind. Beim Thema Gefahren und den jugendschutzrelevanten Problemen im Umgang mit den neuen Medien vertrauen sie schon weniger der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Hier sehen sie häufig die Rettung in der Installation von Filtersoftware, die Kindern und Jugendlichen den Zugang zu problematischen Inhalten verwehren soll. Medienkompetenz, wie sie aktive Medienarbeit zum Ziel hat, geht jedoch nicht davon aus, dass man allein durch Wegsperren die Probleme löst. Der Erwerb von Medienkompetenz schließt nämlich auch inhaltliche Aspekte des Umgangs mit den neuen Medien und die Entwicklung von Kritikfähigkeit mit ein. In der Kinder- und Jugendarbeit muss es somit erstes Ziel sein, Räume zu schaffen, in denen Kinder und Jugendliche pädagogisch angeleitete Möglichkeiten zum Umgang mit Computer und Internet gegeben werden. Hier sollen Möglichkeiten des spielerischen Umgangs mit Computer- und Internetangeboten eröffnet, Perspektiven aufgezeigt und Lernmöglichkeiten angeboten werden. Nicht das Wegsperren problematischer Inhalte im Internet ist dabei gefragt, sondern soweit erforderlich und dem Alterspektrum der Kinder und Jugendlichen entsprechend, die Be- und Aufarbeitung problematischer Inhalte. Doch nicht nur die Probleme stehen im Vordergrund, sondern auch der kostenlose Zugang zu Computer und Internet. Zwar haben immer mehr Jugendliche auch zu Hause einen Netzanschluss oder surfen regelmäßig in Kaufhäusern oder Internetcafes, doch ist das immer noch eine Frage des Geldes. Neben der Frage des potentiellen Zugangs zu Computer und Internet ist es aber auch noch eine Frage des qualitativen Angebots für Kinder und Jugendliche. Angefangen von der Hard- und Software, die Kindern und Jugendlichen auch für kreative Möglichkeiten der Computernutzung zur Verfügung gestellt werden bis hin zur Einbindung anderer Medien wie Foto, Video oder Audio, geht es in der Kinder- und Jugendarbeit vor allem darum, nicht nur kommerziell vorgegebene Nutzungsmöglichkeiten bereit zu stellen, sondern eigene kreative Umgangsmöglichkeiten zu eröffnen. Somit darf sich ein Jugendzentrum nicht bloß als x-beliebiges Internetcafe verstehen, in dem gesurft, gechattet und gemailt werden kann, sondern als pädagogische Einrichtung, die mehr bietet, als Freizeit im Netz totzuschlagen.
Strukturen und Angebote der neuen Medien durchschaubar machen
Natürlich ist es legitim und sinnvoll, eine Spielenacht mit vernetzten Computern im Jugendzentrum durchzuführen oder Chats zu organisieren und anzubieten, doch sollte sich das Angebot nicht darauf beschränken. Um Medienkompetenz zu fördern, ist es notwendig, Kindern und Jugendlichen die Strukturen und Angebote der neuen Medien durchschaubar zu machen. Angefangen vom Internet als kommerzielles Werbefeld bis hin zum Informationswert und der Glaubhaftigkeit der Nachrichten und Botschaften im Internet. Gerade in punkto Information bietet ja das Internet eine unübersehbare Fülle von Angeboten. Fragen, die im Mittelpunkt einer Analyse des Internets stehen, könnten zum Beispiel sein:
* "Wie kann ich sinnvolle und unsinnige Informationen im Internet unterscheiden und die für mich relevanten auswählen?"
* "Wie glaubhaft ist die Informationsquelle, die die Information ins Internet gestellt hat?"
* "Wie komme ich schnell zu der Information, die mich eigentlich interessiert?
* "Wie beeinflussen Werbebanner auf den Internetseiten die Art meiner Rezeption?"
Dies sind nur einige Anhaltspunkte, wie Strukturen des Internets durchschaubar gemacht werden können. Tiefer steigt man in die Thematik ein, wenn man auch die wirtschaftlichen Interessen und die Firmen, die das Internet und die Computerindustrie bestimmen, analysiert. Dabei geht es nicht darum, den Spaß im Umgang mit dem Computer zu vermiesen, sondern Wege zu finden, auch spielerisch diese Aspekte der neuen Medien zu thematisieren. So kann zum Beispiel in Form eines Nachrichtenworkshops über die Berichterstattung in den Medien nachgedacht werden. Durch die Produktion einer eigenen Nachrichtensendung lernen Kinder und Jugendliche Information zu recherchieren, ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen und sinnvolle von überflüssiger Information zu unterscheiden. Wenn es dann noch gelingt, einen Blick auf die Medienlandschaft und ihre Strukturen zu werfen, hat man sich zumindest grundlegende Kenntnisse über wirtschaftliche Interessen und Zusammenhänge der Medienindustrie verschafft.
Selbstbestimmter und kritischer Umgang mit den neuen Medien
Medienkompetenz bedeutet schließlich auch, sich selbstbestimmt und kritisch mit den neuen Medien auseinander zu setzen. Dies beginnt mit der Frage nach dem Nutzen des Mediums für die eigenen Interessen und endet damit, sich klar zu werden, wer die Inhalte der neuen Informations- und Kommunikationstechniken bestimmt. Hier reicht schon ein Blick auf die Weltkarte, um offen zu legen, dass die westlichen Industrienationen den Markt beherrschen. Das weltweite Netz ist somit gar nicht so weltweit, sondern wir von wenigen Industrienationen dominiert. Die Kluft zwischen armen und reichen Ländern wird gerade durch die neuen Medien weiter zementiert und festgeschrieben. Die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechniken ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die Industrienationen hier einen neuen Markt erschlossen haben, auf dem immenses Kapital umgesetzt wird. Der Einzelne kann sich diesem Sog kaum entziehen, wer nicht mitmacht, bleibt außen vor. Die Begeisterung und Faszination, die Computer auf Kinder und Jugendliche ausstrahlen, ist davon unberührt. Kinder und Jugendliche sehen erst einmal im Computer ein tolles Spielgerät, das hohen Attraktionswert besitzt. Im Gegensatz zu einem veralteten Song der Popgruppe "Spliff" mit dem Titel "Computer sind doof", heißt es heute "Computer sind geil". Dies sind sie vor allem aufgrund der vielen Spielmöglichkeiten. "Spielen ist Megabyte" war deshalb auch das Motto eines Projektes einer Münchner Kinderinitiative7 rund um das Thema Computer. Doch Spiel ist nicht gleich Spiel. Während manche Spielinhalte durchaus aggressionsfördernd wirken können, tragen andere Spiele dazu bei, die soziale Interaktion zu unterstützen. Spiele können auch auf verschiedenen Ebenen Geist, Körper und Geschicklichkeit ansprechen und positiv oder negativ auf Kinder und Jugendliche wirken. Nicht alle Spiele sind gleich gut und für den Einsatz in der Kinder- und Jugendarbeit geeignet. Gerade Spiele, die Gewalt und Krieg verherrlichen, gilt es auch in der Kinder- und Jugendarbeit zu problematisieren und Möglichkeiten der kritischen Reflexion zu eröffnen. Für einen selbstbestimmten Umgang mit den neuen Medien ist diese Reflexion von Inhalten und Zusammenhängen unabdingbar, da sonst lediglich primitive Reiz-Reaktionsschemata bei der Nutzung von Computerspielen zum Tragen kommen, die einer menschenwürdigen Gesellschaft nicht entsprechen.
Förderung gesellschaftlicher Partizipation
Computerarbeit sollte als weiteres Ziel auch zur gesellschaftlichen Partizipation beitragen. Nicht nur spielen ist "Megabyte", sondern auch das Internet als weltweites Kommunikationsmedium. Hier eröffnen sich für kulturelle und politische Netzwerke neue Dimensionen der gesellschaftlichen Partizipation. Was zu Zeiten der Videobewegung noch mit dem Begriff der "Gegenöffentlichkeit" beschrieben wurde, hat nun eine neue Form der Verbreitung und Distribution im Netz gefunden. "Netcommunities" mit "News-Groups" und "Mailing-Listen" schaffen Möglichkeiten sowohl ein eigenes Informationsnetz aufzubauen, als auch gezielt Aktionen zu planen und via Netz aktiv zu werden. Möglichkeiten im Rahmen der Computerarbeit mit Kindern und Jugendlichen gesellschaftliche Teilnahme zu fördern, gibt es vielfältige. Angefangen von e-mail-Aktionen bis hin zu Diskussionsforen im Netz zu gesellschaftlichen Themen, die für Kinder und Jugendliche von Bedeutung sind. Durch die Vernetzung mit anderen Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit ergeben sich auch neue Möglichkeiten der Planung und Durchführung von gemeinsamen Projekten und Aktionen. So kann das Internet zum Beispiel auch dazu genutzt werden, sich Aktionen gegen Rechts zu überlegen und diese ins Netz zu stellen. Ebenso können via Netz Kooperationspartner gefunden werden, die Aktionen gegen Rechts planen. Politische Artikulation kann hier auf sehr vielfältige Art und Weise erfolgen. Sei es in Form eines kurzen Videospots gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, der ins Netz gestellt wird, oder als Diskussionsforum zum Thema "Aktiv gegen Rechts". Doch nicht nur die großen politischen Themen gilt es aufzugreifen, es sind auch die alltäglichen Probleme und Nöte von Kindern und Jugendlichen, die via Computerarbeit in die Öffentlichkeit getragen werden können. Auch hier bieten sich Netzwerke als geeignete Instrumente an, um politischen Forderungen und Wünschen z.B. an die Kommune oder an regionale und überregionale Behörden mehr Gewicht zu verleihen. Ein einzelnes mail geht in der Regel unter, viele mails von unterschiedlicher Seite werden jedoch zumindest wahrgenommen. Netzwerke bieten damit für die politische Partizipation völlig neue Möglichkeiten, die nicht zu unterschätzen sind.
Förderung sozialer Kompetenz
Neben der Förderung von Medienkompetenz in ihren verschiedenen Dimensionen, wie sie oben beschrieben wurden, sollte Computerarbeit mit Kindern und Jugendlichen auch soziale Kompetenz fördern. Bei der Konzeption eines Computerprojektes ist deshalb auch darauf zu achten, dass die soziale Interaktionen nicht zu kurz kommt. Bei der Planung eines Computerprojektes sollten deshalb Fragen des miteinander Umgehens ebenso im Vordergrund stehen, wie Möglichkeiten der Entwicklung sozialer Verantwortung und des sozialen Miteinanders. Gerade im Umgang mit den neuen Medien kommt es darauf an, soziale Interaktion zu ermöglichen, die nicht gegeneinander arbeitet, sondern gemeinsam Probleme und Aufgabenstellungen löst. Im Rahmen von Computerprojekten zu erfahren, wie z.B. gemeinsam Internetseiten gestaltet werden können, was es heißt, im Netz mit andern zu kommunizieren oder im Team Probleme am Computer zu lösen, ist mindestens so wichtig, wie das Erlernen der technischen Handhabbarkeit der Geräte und Software. Auch multikulturelle Projekte, die Vorurteile abbauen helfen und Kooperationen unter verschiedenen Jugendlichen und Jugendeinrichtungen ermöglichen, unterstützen die Förderung sozialer Kompetenz. So kann ein Chatforum zwischen verschiedenen Jugendeinrichtungen auch dazu beitragen, sich real kennen zu lernen oder zumindest im Chat etwas über andere Jugendliche eines anderen Stadtteils oder einer anderen Stadt zu erfahren. Gerade hier zeigt sich aber häufig, dass im Chat zunächst Umgangformen praktiziert werden, die aufgrund der Anonymität, alles andere als gepflegt sind. Beschimpfungen, Diffamierungen und Anzüglichkeiten werden vor allem deshalb verbreitet, da man ja durch den "Nickname" anonym bleibt. Dem Erfinden von Verbalinjurien scheinen somit keine Grenzen gesetzt zu sein, sofern nicht der Operator in den Chat einschreitet. Umgangsformen im Netz zu entwickeln ist somit eine pädagogische Herausforderung. Die Anonymität im Netz kann zwar sehr viel Spaß machen, wenn z. B. die Geschlechterrollen nicht eindeutig fixiert sind, sie aber dazu zu nutzen, andere zu beleidigen oder zu verunglimpfen, sollte nicht zugelassen werden. Ein Chat, der auch ein reales Treffen zum Ziel hat, wird derartige Auswüchse vermeiden helfen und soziale Interaktionen fördern.
Wissenskluft überwinden und technische Kompetenz fördern
In der gegenwärtigen schulischen Diskussion wird die Herausforderung durch Computer und Internet vor allem unter dem Stichwort 'Vermittlung technischer Kompetenz' geführt. Kinder und Jugendliche müssen nach Meinung von Bildungspolitikern und Wirtschaftmanagern frühzeitig an die neuen Medien herangeführt werden, um später im Berufsleben bestehen zu können. "Computerliteracy" wird zur neuen Schlüsselqualifikation, die neben Lesen, Schreiben und Rechnen für die zukünftigen Berufschancen eines Jugendlichen entscheidend ist. Aus diesem Grund werden gegenwärtig alle Schulen mit Computern ausgestattet sowie die Vernetzung der Schulen vorangetrieben. Computer und Internet werden oder sind bereits selbständiges Arbeits- und Informationsmedium im Unterricht und Kindern und Jugendlichen werden die Grundqualifikationen im Umgang mit dem Computer vermittelt, sofern sie diese nicht bereits zu Hause erworben haben.
Welche Aufgabe kommt in diesem Zusammenhang der außerschulischen Bildung zu? Nun sicher nicht die, schulische Bildung auf den außerschulischen Bereich auszuweiten. Bei der Vermittlung technischer Kompetenz und der Qualifizierung für ein zukünftiges Berufsleben ist in erster Linie die Schule gefordert. Sie hat dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche für ihr zukünftiges Berufsleben die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten haben. Die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit greift hier lediglich flankierend ein und wirkt kompensatorisch, wenn es darum geht, Chancengleichheit herzustellen. So legt sie ihr Hauptaugenmerk vor allem darauf, benachteiligte Kinder und Jugendliche zu fördern und Angebote zu machen, die Kinder und Jugendliche ganzheitlich in ihrer Entwicklung unterstützt. Kursangebote zum Erlernen der Nutzung bestimmter Software oder zur technischen Handhabung von Computerhardware stehen somit nicht im Mittelpunkt der außerschulischen Jugendarbeit. Das Erlernen technischer Fähigkeiten im Umgang mit Computer und Internet steht im Rahmen der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit immer in Zusammenhang mit konkreten inhaltlichen Projekten. Im Rahmen dieser Projekte wird auch der Umgang mit einer bestimmten Software wie z.B. Frontpage, Photoshop oder Word gelernt. Das Lernen erfolgt somit projektorientiert und interessengeleitet. Kinder und Jugendliche sollen in außerschulischen Projekten den Umgang mit dem Computer als für sie nützlich und an ihren Interessen und Bedürfnissen orientiert erfahren. Was sie dazu an Wissen und Erfahrung brauchen, bestimmen sie selbst. Dadurch macht Lernen nicht nur Spaß, sondern das Wissen ist auch direkt verwertbar. Da es nicht darauf ankommt, sich abfragbares Wissen anzueignen, sondern sich im wahrsten Sinne des Wortes zu bilden und zu qualifizieren, wird genau das gelernt, was man zur Lösung einer bestimmten Aufgabenstellung benötigt.
Benachteiligte Kinder und Jugendliche leben jedoch häufig in einem geringen Anregungsmilieu. Um hier kompensatorisch zu wirken, muss die Kinder- und Jugendarbeit interessante und attraktive Angebote machen, die diesen Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten der eigenständigen und selbstbestimmten Erfahrungsaneignung mit dem Computer eröffnen. Hier ist Ideenreichtum ebenso gefragt, wie eine vernünftige Ausstattung mit Hard- und Software. Ideen dazu sowie die notwendige Ausstattung werden im Praxisteil dieses Buches beschrieben. Auf keinen Fall sollte man jedoch Computerarbeit mit einer diffusen Vorstellung der Ziele und Inhalte und einer veralteten Ausstattung beginnen. Denn als billiger Schrottplatz für irgendeine Computerfirma zu dienen, die ihre alten Geräte im Bereich der Jugendarbeit kostengünstig absetzen und dafür noch eine Spendenquittung kassieren möchte, sollte sich die Kinder- und Jugendarbeit zu schade sein. Wenn das ganze dann noch mit diffusen Vorstellungen der praktischen Arbeit mit Computer gekoppelt ist, ist das Scheitern vorprogrammiert.
Förderung kreativer Fähigkeiten
Computerarbeit mit Kindern und Jugendlichen erfordert eine gezielte Auswahl der Software. Nicht eine Software für Spezialisten ist gefragt, sondern Software, die eigenständiges kreatives Gestalten zulässt und Kinder und Jugendliche in ihrer Kreativität fördert. Hier haben sich in den letzten Jahren viele Möglichkeiten eröffnet, angefangen von Spielen, die kreative Elemente enthalten, bis zu Software für die Text-, Bild- und Tonbearbeitung. Da sich der Markt ständig weiterentwickelt, ist es müßig, hier bestimmte Software zu beschreiben, die sich für die kreative Arbeit besonders eignet. Beim Einsatz bestimmter Software kommt es vielmehr darauf an, sich genau zu überlegen, für welche Zwecke sie gebraucht wird und ob sie einfach zu bedienen ist. Da vor allem die Software die Möglichkeiten beim Gestalten einer Internetseite oder beim Bearbeiten von Musik- und Bilddateien vorgibt, ist sie entscheidend für Möglichkeiten der Entwicklung kreativer Ideen von Kindern und Jugendlichen. Dabei ist jedoch auch darauf zu achten, dass eigene Kreativität entwickelt wird und nicht lediglich vorgegebene Standardangebote der Software übernommen werden. So kann im Musikbereich vom Komponieren und Orchestrieren bis zum Sampeln vorgegebener Musikzitate jede Menge Kreativität entwickelt werden. Es ist jedoch fraglich, ob lediglich das aneinander reihen definierter und abgespeicherter Sounds und Rhythmen schon kreativ ist. Ähnlich wie bei Videotrickmischern mit vorgegebenen Tumble-, Wipe- und Keyeffekten ist der Einsatz von Standardeffekten ohne inhaltlicher Notwendigkeit und kreativem Gestaltungswillen ziemlich langweilig. Dies bedeutet nicht, dass solche Effekte nicht spielerisch und attraktiv eingesetzt werden können. Gerade mit Kindern lassen sich oft verblüffende Ergebnisse erzielen, wenn die Software einfach und spielerisch genutzt werden kann. Dann werden auch zufällige und durch Experimentieren gewonnene Ergebnisse für eine Veröffentlichung brauchbar und können anderen vorgeführt werden. Hier kommt es darauf an Freiräume zuzulassen, die den spielerischen Umgang mit den Medien ermöglichen. Andererseits ist aber auch die Vermittlung von Kenntnissen z. B bei der Gestaltung von Internetseiten oder der Arbeit mit Audio- und Bildbearbeitungsprogrammen notwendig. Häufig kommt es darauf an, eine Balance zwischen kreativem Experimentieren und angeleitetem Arbeiten herzustellen.
Ein wesentliches Merkmal der Computerarbeit ist es ja auch, dass jeder von jedem lernen kann und durch gemeinsames Tun Erfahrungen gesammelt und neue Kenntnisse angeeignet werden können. Gerade hier liegt eine nicht zu vernachlässigende Dimension der neuen Medien. Die Grenzen zwischen Lernenden und Lehrenden verwischen. Computerarbeit ist ein Erfahrungsfeld das allen neue Kenntnisse und Einsichten vermittelt, den Pädagogen und Pädagoginnen in Bezug auf ihren Wissensvorsprung, den Kindern und Jugendlichen in Bezug auf ihr Rollenverständnis als gleichberechtigte Partner in einem gemeinsamen Lern- und Erfahrungsumfeld. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Pädagogen und Pädagoginnen sich keine Gedanken mehr über Ziele und Inhalte ihrer Arbeit zu machen brauchen, sondern vielmehr, dass die Ziele und Inhalte auch einer kritischen Reflexion und Evaluation durch die Zielgruppe unterzogen werden müssen.
Literatur
- Vgl. Schell, F.: Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen - Theorie und Praxis. München 1989
- Aufenanger, S.: Neue Medien als pädagogische Herausforderung, in: Schell/Schorb/Palme (Hrsg.): Jugend auf der Datenautobahn. München 1995
- Kübler, H.-D.: Surfing, chatting, mailing... Wie viel und was für eine Pädagogik braucht das Internet, in: medien praktisch 3/97, S. 7
- Kübler, H-D.: Surfing, chatting, mailing, in: medien praktisch 4/97 S. 58
- Theunert, H.: Multi-Medienpädagogik, in: merz 1/96 S. 28
- Zacharias, W.: Kulturpädagogik und Medienpädagogik = eine neue Schnittmenge? In: Palme/Hedrich/Anfang (Hrsg.): Hauptsache Interaktiv. München 1997, S.26
- vgl. Knecht/Wrana: Spielen ist Megabyte, in: Zacharias, W. (Hrsg.): Interaktiv - Medienökologie zwischen Sinnenreich und Cyberspace. München 2000, S. 220ff
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlages wurde der Artikel entnommen aus:
Günther Anfang/Kathrin Demmler / Klaus Lutz (Hrsg.), Erlebniswelt Multimedia. Computerprojekte mit Kindern und Jugendlichen, KoPäd-Verlag, München 2001