Ernst Schaack, Zur Beurteilung von Schülerfotos
Auszug aus: Ernst Schaack, Resultate eines Forschungsvorhabens zur aktiven Medienarbeit im fächerübergreifenden Unterricht der Grund- und Mittelstufe
"Zunächst wurden 600 Fotos von 35 Schülerinnen und Schülern (Klassenstufen 3-7), die eine technische Einweisung und Hinweise zur Bildgestaltung erhalten hatten, analysiert, um charakteristische Merkmale oder auch "Gestaltungsfehler" zu finden, die helfen können, Kriterien für die Auswertung von Kinderfotos und für die Vorbereitung der jungen Fotografen zu erarbeiten. Die Resultate lassen sich in folgende Hypothesen fassen:
Kinder fotografieren oft aus zu großer Entfernung, sie nutzen das Bildformat dabei nicht aus (74%). Das Foto verliert dadurch wesentlich an Aussagekraft.
Das Fotografieren aus zu großer Entfernung steht einerseits im Zusammenhang mit dem Bestreben, "alles draufzubekommen", andererseits ist es Ausdruck des Unvermögens, das Bildmedium situationsgerecht selektiv einzusetzen. "Ausnutzung des Bildformats" (auch bei Bedarf Nutzung des Hochformats!) ist daher ein wichtiger Aspekt für Einweisung und Auswertung in der Klasse.
Als bildwichtig empfundene Teile (z.B. Köpfe von Personen) werden oft genau in die Mitte des Formats gelegt (61%).
Bei Personenaufnahmen zum Beispiel entstehen dabei "Brustbilder" (mit "abgeschnittenen" Beinen) und mit großem ungenutzem Umfeld (siehe Bemerkungen zur "Ausnutzung des Bildformats").
Auf den geeigneten Kamerastandpunkt wird zu wenig geachtet (53%).
Kinder fotografieren z.B. ohne Bedenken den Bäcker, der das Brot knetet (was sie vorher beobachtet haben!) von hinten, ohne zu reflektieren, daß die Tätigkeit, auf die es ankommt, später auf dem Bild nicht sichtbar sein wird.
Dieses Phänomen erinnert an die Resultate von Piagets raumbezogenen Untersuchungen zum Egozentrismus. Bei den sehr bekannt gewordenen Versuchen mit dem Modell eines Berges und den unterschiedlichen Perspektiven der Betrachtung hatte Piaget beobachtet, daß jüngere Kinder nicht in der Lage waren, sich in eine andere Perspektive als die eigene hineinzudenken.
Wir haben beobachtet, daß besonders Grundschulkinder sich häufig beim Fotografieren oder Filmen überhaupt nicht um die geeignete Perspektive kümmern. Sie fotografieren eine Situation von dem Standpunkt aus, an dem sie sich zufällig befinden, und sie wundern sich später darüber, daß ein Arbeitsablauf, den sie beobachtet hatten, auf den Bildern nicht zu sehen ist.
Bei der aktiven Medienarbeit ist daher auf das Problem der Perspektivwahl besonders zu achten.
Der geeignete Zeitpunkt der Aufnahme spielt häufig eine zu geringe Rolle (43%).
Es wird "drauflos" fotografiert oder so lange gezögert, bis ein Arbeitsablauf, ein Gespräch etc. beendet ist. Hier ist bei der Arbeit mit den Kindern die Dimension der Zeit stärker ins Blickfeld zu nehmen."
Quelle:
Auszug aus Schaack, E., Resultate eines Forschungsvorhabens zur aktiven Medienarbeit im fächerübergreifenden Unterricht der Grund- und Mittelstufe, http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/ewi-Report/EWI15/12_schaa.htm