Unternehmen "Emil"

3. Umrißplanung: "Unternehmen Emil"

3.0. Vorbemerkung
3.1. Einstieg
3.2. Gemeinsames Einlesen in den "Emil-Text"
3.3. "Detektivisches Weiterlesen" des "Emil"-Textes
3.4. Erarbeitung einer "literarischen Karte"
3.5. Präsentation und Auswertung des Films "Emil und die Detektive" (1931)
3.6. Projektierung des Vorhabens: "Auf Emils Spuren durch das heutige Berlin"
3.7. Erkundung der "Emil"-Schauplätze
3.8. Auswertung der Erkundung
3.9. Verfassen eines Manuskripts für die geplante Tonproduktion
3.10. Vorbereitung der Tonbandproduktion
3.11. Produktion des Hör-Spazierganges
3.12. Produktion im Tonstudio der Landesbildstelle
3.13. Abnahme der Produktion durch die Klasse
3.14. Die folgenden Ereignisse

3.0. Vorbemerkung

Dieser Umrißplanung liegt ein Vorhaben zugrunde, das im Mai 1996 mit einer 5. Klasse der Grundschule am Schäfersee in Berlin-Reinickendorf begonnen wurde und das zu Beginn des neuen Schuljahres Ende August 1996 seinen vorläufigen Abschluß fand. Wenn hier von einem Vorhaben gesprochen wird, dann meinen wir damit eine Unterrichtsform, die Affinitäten zum Projektunterricht hat. Im wesentlichen war das "Unternehmen Emil" durch eine Mischung von relativ offenen ("Gewährenlassen") und geschlossenen Unterrichtssituationen ("Instruieren und Lösungen zeigen") bestimmt, wie sie sich zwangsläufig (z.B. durch Zeitdruck) durch die Integration eines "ungewöhnlichen" Handlungszusammenhanges – weil komplex und fächerübergreifend angelegt – in den normalen Unterrichtsbetrieb einer Schule ergeben. Beide am Vorhaben beteiligten Lehrerinnen unterrichteten in der Klasse die Fächer Deutsch, Geschichte und Erdkunde, so daß die vielen auftauchenden inhaltlichen und unterrichtsorganisatorischen Probleme durch schnelle Absprachen zügig, arbeitsteilig und gleichsinnig gelöst werden konnten. Anmerkung 3

Als wesentlich für die Durchführung des Vorhabens erwies sich das vorherige Zusammenstellen von "Arbeitsboxen". In diesen Boxen waren Medien und Materialien zusammengestellt, die von der Lehr-/Lerngruppe selbständig genutzt werden konnten. Dazu gehörten unter anderem:

  • ein Klassensatz "Emil und die Detektive",
  • relevante Textsammlungen zu Kästners Leben und Werk,
  • Arbeitsanleitungen/-blätter (vgl. M1M7),
  • historisches Karten- und Fotomaterial aus dem Bildarchiv der Landesbildstelle, aufgenommen in den Jahren 1920-1935 ( vgl. M8),
  • eine Videokassette des "Emil"-Films von 1931,
  • eine Gerätebox mit 5 Kassettenrecordern sowie
  • ein Studiorecorder mit Doppelkassettendeck.

3.1. Einstieg

Für gewöhnlich ist der "Emil-Stoff" Kindern der 5./6. Klasse bereits in verschiedenen medialen Formen bekannt. geworden (Buch/Tonkassette/Film). Es empfiehlt sich daher, die Vorerfahrungen der Kinder mit dem "Emil" aufzugreifen und für die weiteren Planungszusammenhänge zu berücksichtigen. Um die Vorstellungen über und die Erinnerungen an den Stoff zu wecken, kann man das "Vorwort für Laien" aus "Emil und die drei Zwillinge" (Kästner 1985, 113ff) verwenden. Ebenso läßt sich das Hörspiel "Emil und die Detektive" (vgl. Anmerkung 1) nutzen, um durch ein Hörerlebnis Interesse für den Buchtext zu erzeugen. Am besten läßt man bei beiden Texten die Handlung beim Zusammentreffen mit den "Detektiven" enden und läßt die Kinder als "Fachleute" erzählen, wie die Geschichte weitergeht. In solche Erzählungen kann man auch sehr gut (per Overheadprojektion) das Bildmaterial aus dem Kapitel "Zehn Bilder kommen jetzt zur Sprache" (Kästner 1985, 17ff) integrieren. Im Anschluß daran kann man die Gruppe auffordern, alle Bücher und Medien von zu Hause mitzubringen, die etwas mit dem Leben und Werk von Erich Kästner zu tun haben. Auf diese Weise wird sehr gut sichtbar, in welcher medialen Form dieser Kinderbuchautor im "literarischen Leben" der Schülerinnen und Schüler bisher aufgetaucht ist und was sie vielleicht über ihn wissen. Solch eine erste Bestandsaufnahme kann Anlaß sein, im folgenden von einer interessierten Gruppe ein "Kästner-Ausstellung" in der Klasse aufbauen zu lassen. Zum Beispiel kann mit Hilfe eines Textauszuges aus Kästners "Als ich ein kleiner Junge war" (10. Kapitel: "Zwei folgenschwere Hochzeiten", Kästner 1985, 532ff) entdecken, daß dem "Verfolgungsthema" im "Emil" eine Lebenserfahrung Kästners zugrundeliegt. Wenn man so Schritt für Schritt die Biographie Kästners rekonstruiert, läßt sich sein Leben in Umrissen in Kaiserreich - Weimarer Republik - NS-Zeit (Bücherverbrennung) einordnen.


Bild 4. Schautafel zu Erich Kästners Leben und Werk

Diese "Zeitkenntnisse" können für die Ausstellung zu einer Informationstafel verarbeitet werden.

Materialien/Medien
  • "Kästner-Mediothek" der Klasse
  • Von der Lehrkraft hergestellte Textsammlung:
    • "Das Vorwort für Laien"
    • "Zehn Bilder zum Emil" (als Overheadfolien)
    • "Zwei folgenschwere Hochzeiten"
  • Overheadprojektor

3.2. Gemeinsames Einlesen in den "Emil-Text"

Es wird für einen bestimmten Zeitraum verabredet, die ersten vier Kapitel des "Emils" zu Hause zu lesen und sich "ein Bild" davon zu machen, wie sich Emils Leben in Neustadt abspielt. Dazu können entsprechende Textstellen notiert und mit eigenen Zeichnungen illustriert werden (vgl. auch die Trier-Zeichnungen im Kapitel "Zehn Bilder"...). Gemeinsam wird eine "Schautafel" erarbeitet, die "Emils Leben in der Kleinstadt" skizziert. In ähnlicher Weise kann danach das erzählte Berliner "Großstadt-Bild" erarbeitet werden, so daß ein Vergleich von Klein- und Großstadtleben möglich wird.

Beispiel: Emils Leben in Neustadt

Emil: ein "Musterknabe", geht zur Realschule
Mutter: ist Witwe, arbeitet zu Hause als Friseuse
Straßen: kaum Verkehr, die Pferdebahn hält, wo man möchte;
Märkte und Plätze;
Leute: lassen sich Zeit; alle kennen sich; jeder weiß über den anderen Bescheid; haben Interesse an der Großstadt

Materialien/Medien
  • Ein Klassensatz "Emil und die Detektive"
  • Text: "Zehn Bilder zum Emil"
  • Schautafel: "Emils Leben in der Kleinstadt"
  • Packpapier, Filzschreiber, Scheren, Klebstoff

3.3. "Detektivisches Weiterlesen" des "Emil"-Textes

Die Schülerinnen und Schüler werden mit der Behauptung konfrontiert, daß alle Berliner "Tatorte" im "Emil" auch heute noch existieren. Gemeinsam wird überlegt, wie man diese Behauptung überprüfen kann. Ein entsprechender Plan für Lese-Detektive wird entwickelt (vgl. M1 und M2/1):

Die Kinder erhalten eine Woche Zeit, um den "Emil" allein zu lesen. In einem historischen Kartenausschnitt können sie selbst all die "Tatorte" markieren, die sie während des Lesens entdeckt haben. Die "aufgespürten" Zitate werden aufgezeichnet, in den Unterricht mitgebracht, in Kleingruppen miteinander verglichen und in eine exakte chronologische Ordnung gebracht. Auf diese Weise entsteht eine vollständige Sammlung von Zitaten, die in der Klasse veröffentlicht wird.


Bild 5. Die "Tatorte" des "Emils" im Überblick

Materialien/Medien

3.4. Erarbeitung einer "literarischen Karte"

Beim nächsten Schritt werden die Arbeitsergebnisse in Form einer "literarischen Karte" zusammengefaßt und im Klassenraum präsentiert. In arbeitsteiliger Gruppenarbeit wird dazu gezielt an Text-, Bild- und Kartenmaterial gearbeitet.

  • Handlungssituationen (Zitate) werden Orten auf der Karte zugeordnet.
  • Historische Fotos werden gesichtet und den Orten auf der Karte zugeordnet.
  • Die "Erfahrungen Emils mit der Großstadt" werden herausgearbeitet und in einer Übersicht dargestellt.
  • Das Kinderleben, das im "Emil" beschrieben wird, wird bewertet und mit heutigem Kinderleben verglichen.
Beispiel: "Emil in der großen Stadt"

Emil: fühlt sich zuerst allein in der großen Stadt, findet Berlin später "großartig": denkt er wäre "im Kino".
Straßen: voller Menschen, Fuhrwerke, Autos, Busse und Straßenbahnen; großer Lärm; wunderbare Geschäfte; hohe Häuser
Leute: in der Stadt leben vier Millionen Menschen; haben keine Zeit; keiner will etwas von den Sorgen des anderen wissen;


Bild 6. Ein Teil der "Literarischen Karte" wird vorgestellt

Materialien/Medien

3.5. Präsentation und Auswertung des Films "Emil und die Detektive" (1931)

Auf Grund der intensiven Bestandsaufnahme in Sachen "Emil" empfiehlt es sich, den Film als "Ganzheit" vorzuführen und vor seiner Präsentation die Kinder artikulieren zu lassen, was sie von diesem "alten" Film erwarten.

Nach der Filmvorführung äußern sich die Schülerinnen und Schüler zunächst frei über ihr Filmerleben, wobei auch geklärt wird, ob und wie ihre Erwartungen zum Film sich erfüllt haben.

Um eine wesentliche "Botschaft" des Films erlebnisnah herauszuarbeiten, bietet es sich an, die Kinder in Standbildern körpersprachlich ausdrücken zu lassen, wie "Emil" und "die Detektive" zueinander stehen, z.B.:

  • Wie steht Emil zu Gustav mit der Hupe?
  • Wie steht der Professor zu den Detektiven?
  • Wo steht der kleine Dienstag?
  • Wo steht Pony Hütchen?

Auf sinnfällige Weise können die Kinder so nicht nur durch ihre "Skulpturen" die Filmfiguren und ihre Beziehungen zueinander symbolisch darstellen, sondern auch dem Begriff "Solidarität" eine eigene Gestalt geben. In Partner-/Gruppenarbeit werden danach folgende Fragestellungen zum Film untersucht (vgl. M3 - M6):

  • Ist der Film anders als das Buch?
  • Welche Bilder von Berlin haben euch besonders beeindruckt?
  • Hättet ihr zu Emils Zeiten gern in Berlin gelebt?
  • Könnt ihr euch solch eine Verfolgungsjagd im Berlin von heute noch vorstellen?

Dem Sinne nach stellen die Kinder im Plenum fest (Beispiele),

  • daß der Film ‘anders‘ ist ("Es ist nicht so, wie man es sich nach dem Buch vorgestellt hat:" "Im Film geht alles viel schneller." "Der Film ist spannend gemacht!" "Es gibt neue Teile im Film, Anfang und Ende sind anders." "Die Taxifahrt stimmt nicht, sie geht nach Mitte und nicht zum Nollendorfplatz!"),
  • daß Berlin "altmodisch" wirkt ("Es gibt schöne Straßen mit alten Häusern, auf denen die Kinder zusammen spielen können"),
  • daß man zwar ein Abenteuer wie Emil gerne erleben würde, aber lieber "in der eigenen Zeit" lebt und
  • daß die Verfolgungsjagd "heute nicht mehr machbar" ist ("Man kriegt nicht so viele Kinder zusammen!").

Im Zusammenhang mit der Filmauswertung können sich weitere Aktivitäten ergeben:

  • Ein eigenes Filmplakat wird hergestellt und zusammen mit einer "Filmrezension" im Schulgebäude ausgehängt.


Bild 7. Plakatentwürfe für "Emil und die Detektive"

Materialien/Medien

3.6. Projektierung des Vorhabens: "Auf Emils Spuren durch das heutige Berlin"

Mit Hilfe eines "brain-stormings" wird die "originale Begegnung" mit den Handlungsschauplätzen des "Emils" projektiert.

  • Die "Tatorte" des Romans werden auf einem aktuellen Kartenausschnitt bestimmt und mit dem Kartenausschnitt von 1928 verglichen.
  • Fahrtwege werden ermittelt.
  • Es wird verabredet, wie man die "Tatorte" durch Text, Bild und Ton dokumentieren kann.
  • Interviewfragen für die Befragung von "Zeitzeugen" werden gesammelt. Befragungen werden in diesem Zusammenhang in der Klasse mit Hilfe von Kassettenrecordern geübt/simuliert.
  • Es wird ein Zeitplan aufgestellt und
  • Arbeitsaufgaben werden auf Arbeitsgruppen verteilt.

Zum Abschluß wird der vorgesehene Arbeitsplan in seinen Grundzügen auf Packpapierbahnen aufgezeichnet und in der Klasse ausgehängt.

Materialien/Medien

3.7. Erkundung der "Emil"-Schauplätze

Die Erkundung der "Emil"-Schauplätze im "Neuen Westen" (vom Nikolsburger Platz bis zum Nollendorfplatz) dauert in der Regel drei Zeitstunden. Die Dauer der "Spurensicherung" auf der gut 2,5 km langen Strecke hängt verständlicherweise auch von den "detektivischen" Interessen der Klasse ab. Für gewöhnlich entwickelt sich die Spurensuche zu einer Art journalistischem Detektivspiel. Die einzelnen Arbeitsgruppen verfolgen zwar keinen Dieb, aber sie verfolgen einen ernsthaften Zweck: sie sind in eigener Sache unterwegs und wollen der Wahrheit über "Emil und die Detektive" auf die Spur kommen. (vgl. M 9 Tonkassette "Unternehmen Emil")

Audio (mp3, 16,7MB)

Am besten arbeiten sich die Kinder in kleinen Gruppen "von Tatort zu Tatort" vorwärts und sichern dort alle Spuren, die sie für wichtig halten. Falls eine Foto-Dokumentation oder eine Wandzeitung erstellt werden soll, werden die Gruppen versuchen, vor allem "sichtbare Beweise" zusammenzutragen.


Bild 8. Zeitzeuginnen werden befragt:
"Gab es hier mal ein Cafe Josty?"

Für eine Ton-Dokumentation wird das Interesse der Gruppen vor allem darauf gerichtet sein, möglichst viele Spuren zu erfassen, die sich "hören" lassen. So werden zum Beispiel:

  • "Tatorte" nicht nur mit der Kamera fixiert, sondern auch durch mündliche Beschreibungen per Kassettenrecorder,
  • Wegbeschreibungen von Tatort zu Tatort "live" mit dem Kassettenrecorder aufgenommen,
  • Befragungen von Passanten, Taxifahrern oder Geschäftsleuten mit dem Kassettenrecorder durchgeführt und
  • gezielt Original-Töne gesammelt.
Materialien/Medien
  • Kleinbildkameras, wenn möglich: eine Sofortbildkamera
  • Kassettenrecorder für jede Gruppe
  • Schreibmaterial

3.8. Auswertung der Erkundung

Für gewöhnlich ist der "Lokaltermin" der große Höhepunkt des Vorhabens für die Kinder und realistischerweise sollte man damit rechnen, daß es ihnen anschließend nicht leicht fallen wird, ihre Materialsammlungen gezielt und reflektiert auszuwerten.

Im Falle des "Unternehmen Emils" hatte jedoch eine Arbeitsgruppe spontan in ihrer Freizeit durch Überspielungen von Kassettenrecorder zu Kassettenrecorder den eigenen Materialvorrat für eine sinnvoll aufgebaute Hör-Dokumentation "ausgeschlachtet". Diese Eigenproduktion der Gruppe bot uns eine hervorragende Möglichkeit, um mit der Klasse zu diskutieren, unter welchen Gesichtspunkten man die Materialfülle ordnen und bearbeiten sollte, um einen "Hör-Spaziergang" zu produzieren. Aufgabe solch einer Tonproduktion soll es ja sein, einen Hörer so genau zu den "Tatorten" zu führen, daß er sich nicht verläuft und auf seiner Tour viel Neues und Interessantes erfährt.

Auf Grund der Diskussion wurde folgendes bestimmt und auf großen Plan-Karten fixiert:

  • Der Weg von Tatort zu Tatort muß genau beschrieben werden und mit passenden Zitaten aus "Emil und die Detektive" belegt werden.
  • Die Unterschiede zwischen "früher" und "heute" müssen beschrieben werden.
  • Damit der Spaziergang nicht zu "langweilig" wird, sollen Szenen aus dem "Emil" und Teile von Interviews zu hören sein sowie Zusatzinformationen gegeben werden.
  • Geeignete Original-Geräusche müssen ausgewählt werden.

Mit Hilfe solch eines Kriterienkatalogs, der an der Wandleiste veröffentlicht wird, machen sich die Gruppen dann an eine erste "Sichtung" des Materials und stellen danach in Form von Gruppenberichten und durch Zitieren von Beispielen vor, was ihr Material womöglich für die beabsichtigte Produktion hergibt. In diesem Zusammenhang wird eine erste Auswahl geeigneter Hör-Materialien vorgenommen und die Beispiele werden den entsprechenden Tatorten zugeordnet. Durch Überspielungen von Kassettenrecorder zu Kassettenrecorder wird diese Material-Auslese auf einer Tonkassette gesichert.

Materialien/Medien
  • "Literarische Karte"
  • Materialsammlung der Klasse
  • "Kriterienkatalog"
  • Plankarten, Filzschreiber, Klebeband
  • Kassettenrecorder, Studiorecorder, diverse Leerkassetten

3.9. Verfassen eines Manuskripts für die geplante Tonproduktion

Der schwierigste Teil der Arbeit liegt nun vor der Klasse. Es muß ihr gelingen, die verschiedenen Textbausteine eines Hör-Spaziergangs wie Sprechertext – Interviews – Spielszenen – Original-Geräusche und Musik nicht nur in ihrer Funktion zu erkennen, sondern auch in einen sinnvollen und verständlichen Gesamtzusammenhang zu bringen.

Daß man dafür "einen schriftlichen Plan" braucht, muß Schülerinnen und Schülern dieser Altersstufe an einem konkreten Beispiel veranschaulicht werden. Dazu bietet es sich an, die erste Sequenz (Einführung bis zum 1. Tatort) der Tonkassette "Unternehmen Emil" vorzuspielen und mit der Gruppe auszuwerten. Am Manuskript-Beispiel (vgl. M7/1) identifizieren die Kinder Hör-Bausteine wie Musik, Sprechertext, Originalton.

Nach der Diskussion des Hör-Beispiels organisieren sich die Schülerinnen und Schüler zu kleinen Produktions-Teams, die klar bestimmte "Tatorte" (vgl. Tonkassette "Unternehmen Emil") so bearbeiten, daß sich daraus ein Gesamtmanuskript herstellen läßt. Erfahrungsgemäß fällt es den Gruppen relativ leicht, Spielszenen zu entwickeln und zu einem Manuskript zu verarbeiten. Kleine Werkstücke, die in diesem Kontext entstanden sind, werden am besten sofort gespielt, mit Kassettenrecordern aufgezeichnet, als Hör-Stücke im Plenum präsentiert und diskutiert.

Schwieriger wird es für die Kinder, Interviews zu bearbeiten (z.B. durch Kürzen und neu Montieren) und verbindende Sprechertexte zu verfassen. Hier sollten die Gruppen bei ihren Arbeiten von der Lehrerin/dem Lehrer durch Formulierungsvorschläge konstruktiv unterstützt werden.

Die erarbeiteten Manuskriptteile werden von jeder Gruppe am besten an der Wandleiste veröffentlicht, so daß das Fortschreiten des arbeitsteiligen Vorgehens für alle direkt sichtbar wird und mögliche Probleme, die bei der Arbeit auftauchen können, gemeinsam diskutiert und gelöst werden können.

Liegen die Rohmanuskripte schließlich komplett vor, wird eine Redaktionsgruppe gebildet, die diese Text-Bausteine zu einem Gesamtmanuskript zusammenfügt. Dieser Gesamtentwurf wird im Plenum diskutiert und schließlich von der Redaktionsgruppe unter Mitarbeit der Lehrerin/des Lehrers in seine endgültige maschinengeschriebene Fassung gebracht. An manchen Schulen, an denen eine "Schreibwerkstatt" existiert, kann diese Arbeit von den Schülerinnen und Schülern per Computer geleistet werden.

Materialien/Medien

3.10. Vorbereitung der Tonbandproduktion

Ziel des Vorhabens ist es, daß die Schülerinnen und Schüler ein Produkt herstellen, mit dem sich alle identifizieren können. Dies heißt, daß alle Kinder an der Produktion zu beteiligen sind. Zum Beispiel sollte jedes Kind selbst einen Text sprechen können.

Dazu verteilen die Kinder in ihren Gruppen Rollen und Sprechertexte selbst und üben deren Vortrag. So war es bei unserem Vorhaben eine Selbstverständlichkeit, daß Mädchen die Rolle von Emil und den Detektiven übernahmen und in manchen "reinen" Jungen-Szenen Jungen und Mädchen gemeinsam spielten. Die Unterrichtserfahrungen haben gezeigt, daß die Kinder bei ihren Spiel- und Sprechproben intensiv darum bemüht sind, ihre spielerischen und sprecherischen Leistungen ständig zu verbessern. Entsprechende Tonaufzeichnungen erwiesen sich dabei als wertvolle Orientierungshilfen. Stellenweise ging der Ehrgeiz von Kindern so weit, daß sie ihre Texte auswendig lernten und ohne Manuskript sprachen.

Materialien/Medien
  • Ein Klassensatz der selbst verfaßten Manuskripte
  • 1 Kassettenrecorder für jede Gruppe, Studiorecorder, diverse Leerkassetten

3.11. Produktion des Hör-Spazierganges

Prinzipiell kann der Hör-Spaziergang mit Hilfe einer einfachen Geräteausstattung in der Klasse/in der Schule produziert werden. Dies betrifft sowohl die Tonaufnahme als auch die Mischung und den (elektronischen) Schnitt. Sämtliche Arbeiten können bei ausreichender Übung von den Schülerinnen und Schülern selbst übernommen werden. Man benötigt allerdings mindestens ein gutes externes Mikrofon, drei hochwertige Kassettenrecorder und ein Mischpult, wenn man eine gute Tonqualität bei der Produktion erreichen will.

Der Umgang mit diesen Geräten kann ohne besondere Mühe bereits in den vorangegangenen Unterrichtssituationen eingeführt und geübt werden bei

  • der Aufnahme von Sprechertexten und Spielszenen,
  • der Mischung von Original-Tönen und Musiken,
  • der Bearbeitung von Interviews oder
  • der Produktion einer "Grob-Fassung" des Hör-Spazierganges.
Materialien/Medien
  • Ein Klassensatz der selbst verfaßten Manuskripte,
  • Kassettenrecorder, Studiorecorder, Mischpult, diverse Leerkassetten
  • Kassetten mit Original-Tönen / -Geräuschen
  • Musikkassetten

3.12. Produktion im Tonstudio der Landesbildstelle

Das Tonstudio der Landesbildstelle Berlin bot der Berliner Schule die Möglichkeit, Audio-Produktionen unter professionellen Bedingungen zu realisieren.

Wurde dieser Service der Landesbildstelle in Anspruch genommen, konnten Lehr-/Lerngruppen erfahren, wie sich ihre aktive Arbeit mit Kassettenrecordern von einer technisch aufwendigen Produktion unterschied und welche Maßstäbe für eine qualitätsvolle Tonproduktion galten.

Für eine Produktion von 30 Minuten Dauer wie beim "Unternehmen Emil" sind ungefähr 3-4 Produktionstage einzuplanen. Zwei Tage beanspruchen die reinen Aufnahmearbeiten, zwei Tage muß man für Mischung und Schnitt ansetzen.

Die Aufnahmearbeiten fanden jeweils in der Zeit von 10.00 – 14.00 Uhr statt und konnten in der Regel nur mit kleineren Gruppen (bis zu 12 Personen) durchgeführt werden.

So wurden – jeweils nur mit einem Teil der Klasse – die Sprechertexte und Spielszenen des Hör-Spazierganges an zwei Vormittagen aufgenommen. Die Studioarbeit, die von den gut vorbereiteten Jungen und Mädchen höchste Konzentration erforderte, wurde für alle Kinder zu einem beeindruckenden Erlebnis und wurde von ihnen als der zweite große Höhepunkt des Vorhabens empfunden. Die Prinzipien von Mischung und Schnitt wurden von den Kindern an ausgewählten Hör-Sequenzen demonstriert, die eigentlichen Feinarbeiten wurden jedoch ohne Mitarbeit der Gruppe am dritten Produktionstag erledigt.

Materialien/Medien
  • Ein Klassensatz Manuskripte
  • Kassetten mit Original-Tönen/-Geräuschen
  • Materialien aus dem Ton-Archiv: Geräusche und Musik (gebührenfrei)

3.13. Abnahme der Produktion durch die Klasse

Die Veröffentlichung des Produkts ist ein wesentliches Moment jeder Medienarbeit. Sie bietet den Kindern die Möglichkeit, ihren Arbeits- und Lernprozeß zu rekonstruieren und bewußt zu verarbeiten. Nicht zuletzt können sie auch anderen erklären, was ihnen ihre Arbeit bedeutet hat, erfahren wie ihre Arbeit bei anderen "ankommt" und können angeregt werden, die eigene Sicht zu überprüfen.

Zu diesem Zweck hatte sich beim "Unternehmen Emil" die Klasse ihren Schulleiter als ersten kritischen Zuhörer eingeladen, als es darum ging, die Endfassung des Hör-Spazierganges gemeinsam zu hören und zu begutachten.

Mit Spannung hörten sich die Kinder ihren Hör-Spaziergang an und waren stolz auf ihre Leistung, als sie von ihrem Rektor die erste positive Rückmeldung zu hören bekamen.

Materialien/Medien
  • Studiorecorder
  • Tonkassette mit dem Hör-Stück der Klasse

3.14. Die folgenden Ereignisse

Das Bewußtsein dafür, einen "eigenen" Text hergestellt zu haben, motivierte die Klasse dazu, ihn nun einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. Dies geschah in den darauffolgenden Wochen und Monaten auf eine beeindruckende Weise. Idee der Gruppe war es, die Tonproduktion im Rahmen einer Ausstellung vorzustellen. Thema der Ausstellung sollte das "Unternehmen Emil" selbst sein.

Nach und nach entstanden in Gruppenarbeit eine Reihe von Informations- und Schautafeln, die das Projekt in seinem Ablauf und seinen Inhalten veranschaulichten. Damit nicht genug: In Form einer "Show" aus Information, szenischem Spiel und Zuspiel der Tonkassette sollten die Ausstellungsbesucher nicht nur informiert, sondern auch unterhalten werden. Nach wochenlanger Detailarbeit an den Texten und "Nummern" der "Show", konnte schließlich die erste "Emil-Show" in der Schul-Aula über die Bühne gehen. Der Erfolg war groß und sprach sich herum. Bis zum Ende des Schuljahres 1996/97 wurde die "Emil-Show" für andere Klassen, Lehrerseminare und die interessierte Presse mehrfach wiederholt.

Auf produktive und sinnfällige Weise hatten die Kinder damit auch gezeigt,

  • worin die Chancen einer integrativen Lese- und Medienerziehung liegen,
  • wie mit Hilfe von Medien Beziehungen zu Erfahrungen, Gefühlen und Vorstellungen von Kindern hergestellt werden können,
  • wie mit Hilfe von Medien "Begegnungen" mit Lerngegenständen ausgelöst und bereichert werden können und daß Medien das Lernen in Zusammenhängen wirkungsvoll unterstützten können.


Bild 9. Spielszene aus der "Emil-Show":
Emil trifft die Landhausbande


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